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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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war.
    Naarjuk willigte ein.
    In einer zehntausend Jahre währenden Schlacht, die Krater, Risse und Löcher im Gewebe der Geisterwelt hinterließ, gelang es Sila und Naarjuk, den furchtbaren Tuunbaq zu bezwingen.
    Und so wie alle tupilek, deren Vernichtungsauftrag scheitert, wandte sich auch der Tuunbaq gegen seine Schöpferin.
    Aber Sedna hatte aus dem Verrat ihres Vogelgatten und ihres Vaters vor so langer Zeit gelernt. Sie wusste um die Gefahren des Tuunbaq, noch bevor sie ihn geschaffen hatte. Also stimmte sie nun ihre eigenen tirinarliutit-Beschwörungen an, um eine geheime Schwäche auszulösen, die sie dem Tuunbaq eingepflanzt hatte.
    Sogleich wurde dieser auf die Erde verbannt und war nicht mehr in der Lage, reine Geistform anzunehmen, um in die Geisterwelt und zum tiefen Meeresgrund zurückzukehren. So war Sedna vor ihm in Sicherheit.
    Die Erde und ihre Bewohner hingegen waren nicht mehr in Sicherheit.
    Sedna hatte den Tuunbaq an den kältesten und ödesten Ort der reich bevölkerten Erde verbannt – ins ewige Eis nahe dem Nordpol. Sie hätte ihn zwar auch in andere gefrorene Gegenden schicken können, doch sie entschied sich für den Norden, der für viele inuat-Götter den Mittelpunkt der Erde bildete, weil es nur dort Schamanen gab, die im Umgang mit bösen Geistern geübt waren.
    Seiner abscheulichen Geistform beraubt, schlüpfte der Tuunbaq, so wie dies alle tupilek zu tun pflegen, in die Gestalt des schrecklichsten Geschöpfs, das er auf Erden finden konnte. Er wählte die Gestalt und das Wesen des klügsten, heimtückischsten und tödlichsten Raubtiers: des weißen Polarbären. Doch nach
Größe und Durchtriebenheit verhielt er sich zu dem Bären wie dieser zu einem Hund der Echten Menschen. Der Tuunbaq tötete und fraß die wilden Eisbären samt ihren Seelen so mühelos, wie die Echten Menschen Schneehühner erlegten.
    Je vielschichtiger die inua-Seele eines Lebewesens ist, desto besser mundet sie einem Seelenfresser. Bald hatte der Tuunbaq herausgefunden, dass ihm Menschen besser schmeckten als nanuit, die Eisbären, dass er Menschenseelen mehr genoss als Walrossseelen, und dass er die menschlichen Seelen selbst den großen, sanften, klugen inuat der Schwertwale vorzog.
    Viele Generationen lang mordete und verschlang der Tuunbaq die Menschen. Diese flohen aus den Dörfern im schneereichen Norden, und schon bald lagen Gegenden des Meeres, die einst Flotten von qajaqs gesehen, und geschützte Orte, die das Lachen von Tausenden Echter Menschen gehört hatten, verlassen da.
    Doch vor dem Tuunbaq gab es kein Entrinnen. Ob schwimmend, laufend, Listen ersinnend, Fallen stellend oder kämpfend  – Sednas tupilak war jedem Menschen überlegen. Er befahl den bösen Geistern iliqusirtuk, die Gletscher weiter nach Süden zu schieben, damit diese den Menschen folgten, die in das grüne Land im Süden geflohen waren. So konnte der Tuunbaq in seinem weißen Pelz weiterhin verborgen aus dem Eis Jagd auf menschliche Seelen machen.
    Die Dörfer der Echten Menschen sandten Hunderte von Jägern aus, um das Wesen zu töten, doch keiner von ihnen kehrte lebend zurück. Manchmal brachte der Tuunbaq Körperteile der toten Jäger, um ihre Sippen zu verhöhnen, und bisweilen warf er Köpfe, Beine, Arme und Oberkörper mehrerer Jäger durcheinander, so dass den Verwandten nicht einmal eine angemessene Bestattung möglich war.
    Es hatte den Anschein, als würde Sednas abscheulicher Seelenfresser nach und nach die gesamte Menschheit ausrotten.

    Aber so wie Sedna es erhofft hatte, schickten die Schamanen von Hunderten Sippen der Echten Menschen an der Grenze zum kalten Norden Botschaften aus, um sich an geheimen angakkuit-Orten zu treffen. Nachdem sie dort zu all ihren freundlichen Geistern gebetet und sich mit ihren Hilfsgeistern beraten hatten, schmiedeten sie einen Plan gegen den Tuunbaq.
    Sie konnten diesen Gott, der ging wie ein Mensch, nicht töten. Nicht einmal Sila, die Herrin der Lüfte, und Sedna, die Herrin des Meeres, waren dazu in der Lage.
    Doch sie konnten dem Tuunbaq Grenzen setzen. Sie konnten ihn davon abhalten, immer weiter nach Süden vorzudringen und alle Menschen zu töten.
    Die tüchtigsten angakkuit wählten aus ihren Reihen Männer und Frauen mit der schamanischen Fähigkeit des Gedankenhörens und Gedankensendens aus, um eine noch stärkere und klügere Generation von Schamanen erstehen zu lassen.
    Die Kinder, deren hellseherische Kräfte über die der alten Schamanen hinausgingen, nannten sie silam

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