Terror
inua, die Geistherrscher des Himmels. Diese sandten sie mit ihren Sippen nach Norden, um dem Morden des Tuunbaq Einhalt zu gebieten.
Die silam inua waren imstande, mit dem Tuunbaq zu reden, ohne sich dabei der Sprache der Hilfsgeister tuurngait bedienen zu müssen, wie es die alten Schamanen versucht hatten. Sie konnten sich direkt mit der Geist- und Lebensseele des Tuunbaq in Verbindung setzen.
Die Geistherrscher des Himmels lernten, den Tuunbaq mit ihrem Kehlgesang zu rufen. Sie weihten ihr Leben der Verständigung mit dem Tuunbaq und erlaubten dem eifersüchtigen Wesen sogar, sie ihrer menschlichen Sprache zu berauben. Sie trafen eine Vereinbarung mit dem Gott, der wandelt wie ein Mensch: Wenn dieser darauf verzichtete, Jagd auf menschliche Seelen zu machen, so würden weder die Echten noch die anderen Menschen
jemals wieder ihre Wohnstatt in den nördlichsten Schneebezirken aufschlagen. Sie wollten ihn ehren und versprachen ihm, niemals ohne seine Einwilligung in seinem Reich zu jagen oder zu fischen.
Alle zukünftigen Generationen, so gelobten sie, würden dazu beitragen, den Hunger des Gottes, der wandelt wie ein Mensch, zu stillen. Silam inua und andere Echte Menschen würden Fische, Walrosse, Robben, Rentiere, Hasen, Wale, Wölfe und sogar die kleineren Verwandten des Tuunbaq, die Eisbären, fangen und sie ihm bringen. Kein qajaq oder Boot eines Menschen durfte in das Seereich des Tuunbaq eindringen, außer um ihm Essen zu bringen oder ihm mit Kehlgesängen zu huldigen.
Aufgrund ihrer Zukunftsgedanken wussten die silam inua, dass das Ende der Zeiten heranbrechen wird, wenn die blassen Menschen, die kabloona, einst das Reich des Tuunbaq betreten. Vergiftet von den bleichen Seelen der kabloona, wird der Tuunbaq erkranken und sterben. Die Echten Menschen werden ihre Sitten und ihre Sprache vergessen. In ihren Häusern wird Trunksucht und Verzweiflung herrschen. Die Männer werden ihre Güte vergessen und ihre Frauen schlagen. Die inuat der Kinder werden der Verwirrung anheimfallen und die Echten Menschen ihre Träume verlieren.
Wenn der Tuunbaq an der kabloona-Krankheit stirbt, das wussten die Geistherrscher des Himmels, dann wird sich sein kaltes, weißes Reich erwärmen und auftauen. Die Eisbären werden ihre Heimat verlieren und ihre Jungen zugrunde gehen. Die Wale und Walrosse werden keine Nahrung mehr finden. Die Vögel werden in Kreisen fliegen und zum Raben schreien, weil ihre Brutplätze verschwunden sind.
Das ist die Zukunft, die sie sahen.
So schrecklich der Tuunbaq auch war, die silam inua wussten, dass die Zukunft ohne ihn und seine kalte Welt noch viel schlimmer sein wird.
Damals aber sprachen die jungen Männer und Frauen, die die Geistherrscher des Himmels waren, mit dem Tuunbaq, wie es nur Sedna und die anderen Geister konnten – nicht mit ihren Stimmen, sondern unmittelbar von Bewusstsein zu Bewusstsein. Und weil dies so war, hörte der Gott, der wandelt wie ein Mensch, auf ihre Vorschläge und Versprechen.
Der Tuunbaq, der sich wie alle größeren inuat gern verwöhnen lässt, erklärte sich einverstanden, statt der Seelen der Menschen ihre Opfergaben zu fressen.
Im Lauf der Generationen verheirateten sich die silam inua nur mit Menschen, die die gleichen Gaben besaßen. Schon in frühem Alter verzichteten alle silam-inua-Kinder auf die Fähigkeit, mit anderen Menschen zu sprechen, um dem Gott, der wandelt wie ein Mensch, zu beweisen, dass sie ihr Leben ausschließlich der Verständigung mit ihm geweiht hatten.
Die kleinen Familien der silam inua leben viel weiter im Norden als die anderen Echten Menschen, die immer noch Angst vor dem Tuunbaq haben. So wurden die Geistherrscher des Himmels, die ihre Heimat auf der schnee- und gletscherbedeckten Erde und dem Eis haben, allmählich als Gottwandler bekannt, und ihre sprechenden Verwandten redeten in einer seltsamen Mischung aus verschiedenen Zungen der Echten Menschen.
Die silam inua selbst sprechen natürlich keine menschliche Sprache, sie sind nur des Gedankensendens und Gedankenhörens mächtig – qaumaniq und angakkua. Dennoch bleiben sie Menschen, sie lieben ihre Familien und gehören weiter ihren Sippen an. Um mit den anderen Echten Menschen zu reden, verwenden die männlichen silam inua eine besondere Zeichensprache, während sich die weiblichen silam inua oft mit dem Fadenspiel verständigen, das sie von ihren Müttern erlernt haben.
Bevor wir unser Dorf verließen
und hinaus aufs Eis gingen,
um den Mann zu finden, den
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