Tessa
jetzt?«
»Du redest immer so schlecht von deinen Verflossenen. Von mir wirst du garantiert eines Tages auch so schlecht reden.«
Tessa lässt Nicks Hand los und bleibt stehen. »Willst du schon wieder Schluss machen?«
Nick stöhnt, hebt seine Arme und streicht sich mit beiden Händen die Haare zurück. Er schüttelt den Kopf.
»Nee, Tess, oder? Jetzt nicht schon wieder der Scheiß …«
Sie zieht einen Schmollmund. »Dann laber du nicht immer so einen Scheiß. Außerdem hast du doch mit der halben Stadt geschlafen. Oder machst es immer noch.«
Nick lacht, er legt den Arm um Tessa.
Sie lässt ihn gewähren, bleibt aber reserviert. Dann dreht sie sich zu Nick. »Dann schmeiß Peter raus.«
»Warum hasst du die Menschen immer so sehr?«
»Ich hasse die Menschen nicht. Ich hasse Peter.« Sie steckt ihre Hand in Nicks hintere Hosentasche und kneift in seinen Arsch.
»Warum Peter?«
»Darum Peter. Ich habe Hunger.«
Nick schüttelt leicht den Kopf, beugt sich zu Tessa hinunter und gibt ihr einen Kuss.
Nick hat Tessa am Abend mit auf eine Vernissage geschleppt. Er gibt sich Mühe.
»Willst du noch einen Champagner?«, fragt er und ist im selben Moment auch schon verschwunden. Er kennt die Antwort. Sie steht alleine inmitten der kunstinteressierten Menge. Vorsichtig sieht sie sich um, sie macht ein paar Bekannte aus, lässt ihren Blick weiter schweifen, bloß keinen Augenkontakt, denn dann müsste sie überlegen, ob sie grüßen soll oder nicht. Eigentlich will sie nur gehen. Wie langweilig es hier doch ist. Die Bilder an der Wand sind vor allem bunt. Sie kennt den Künstler nicht, und es ist ihr auch egal. Der Champagner ist dafür überraschend gut gekühlt. Es ist heiß in der Galerie. Nick steht wieder neben ihr und reicht ihr ein neues Glas. Sie nimmt einen großen Schluck. Charlotte steht plötzlich vor ihr und umarmt sie innig, Tessa erwidert den Gruß nur sachte und fragt sich misstrauisch, warum ihr Charlotte am Mittag nichts von der Vernissage erzählt hat. Charlotte fängt sofort an, draufloszuquatschen. Vielleicht ist es ihr selber unangenehm, und sie will ablenken? Dabei winkt sie nach links und nach rechts. Woher kennt sie eigentlich immer all diese Menschen? Schräg hinter Charlotte entdeckt sie auch Jens, der ein Bild betrachtet.
Das Licht verschiebt sich, als sie aus dem Augenwinkel sieht, wie Frieder den Raum betritt. Sie erkennt ihn sofort wieder, und ihr Herz fängt überraschend an zu klopfen. Sie ist aufgeregt, ihn zu sehen. Die Frau neben ihm entdeckt sie einen Moment später. Der geringe Abstand und Einklang beider Körper lässt darauf schließen, dass die beiden vertraut miteinander sind. Die beiden halten kurz inne, sehen sich in der Galerie um, scheinen sich auch erst einmal in dem Raum voller Unbekannter zurechtfinden zu müssen. Tessa spürt sie zu viel Platz einnehmen. Frieders Gesichtsausdruck verändert sich kaum, vielleicht hat er sie noch nicht entdeckt, leicht nickend scheint er Bekannte zu grüßen. Die Frau hat ein offenes Lachen und verschenkt es freizügig in die Runde. Tessa spürt Eifersucht in sich aufkeimen. Sie sieht älter als Frieder aus. Und das Alter steht ihr, denkt Tessa neidisch. Sie hat etwas Anmutiges. Und Tessa kommt sich klein und unbedeutend vor. Der Raum ist zu klein für Frieder, sie und diese Frau. Tessa muss hier weg. Aber sie kann sich nicht bewegen und sieht sich nach Nick um, als sie bemerkt, wie die Frau den Mund leicht öffnet, das Strahlen in ihrem Gesicht größer wird und sie erfreut winkend die Hand in Tessas Richtung hebt, um dann direkt auf sie zugesteuert zu kommen. Warum macht sie das bloß? Tessa schaut sich hilflos um. Sie kennt sie doch gar nicht. Tessa bleibt versteinert stehen, als sie merkt, dass nicht sie, sondern Charlotte gemeint ist. Zu ihrer großen Überraschung umarmen sich die beiden herzlich. Sie scheinen sich gut zu kennen, und Tessa denkt, wie wenig sie doch über Charlotte weiß und wie fremd sie ihr plötzlich vorkommt.
»Darf ich euch vorstellen?«, fragt Charlotte. Und in Tessas Kopf schreit es stumm: nein. Aber da haben sich die beiden ihr schon zugewandt. »Das ist Solveig.«
Die Frau schaut sie herausfordernd an, doch das kann auch nur Einbildung sein.
»Hallo«, sagt Solveig mit einer unerwartet tiefen Stimme, während sie sie eingehend betrachtet und Tessa sich nach nichts Weiterem sehnt, als ihr Glas in einem Zug auszutrinken. Doch stattdessen schüttelt sie nur stumm den Kopf, während sich Solveig
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