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Tessa

Tessa

Titel: Tessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Karlsson
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nüchtern machen, und gießt sich eine Tasse voll. Im Kühlschrank findet sie keine Milch mehr, also schüttet sie einfach kaltes Wasser mit in die Tasse, damit sie sich nicht die Zunge verbrennt. Hastig trinkt sie den Kaffee und schüttelt sich, weil er so bitter ist. Sie geht zur Tür. Aber bevor sie ihre Wohnung verlässt, dreht sie sich noch einmal zum Spiegel um und wirft einen Kontrollblick hinein. Ein falsches Lachen springt ihr entgegen, und sie zögert kurz. Selbstzweifel machen sich breit, aber bevor sie Oberhand gewinnen, entreißt sie sich ihrem Spiegelbild. Vorsichtig, erhobenen Hauptes steigt sie die Treppe hinab und hält sich am Geländer fest. Ihr Herz klopft vor Aufregung.

Vor der Haustür schaut sie sich erwartungsvoll um. Wo ist er? Sie hört einen Wagen näher kommen, ein Taxi fährt an ihr vorbei. Wo ist Frieder? Kurz auf­flackernde Scheinwerfer zwischen den parkenden Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Langsam stolziert sie in die Richtung. Sie öffnet die Beifahrertür. Frieder tippt in sein Handy, er sieht kurz auf.
    »Hallo«, sagt er und lächelt sie an. »Hast du deinen Ausweis?«
    »Nein, soll ich ihn etwa holen?«
    »Ja. Und nimm auch ein Handtuch mit.« Er grinst sie kurz an. Und senkt dann seinen Blick wieder auf das Handy.
    Sie zögert, beugt sich noch einmal ins Auto hinab. »Du wartest?«
    »Dafür bin ich hier.«
    Verwirrt geht sie zurück zu ihrem Haus, läuft die Treppenstufen wieder hinauf. Im dritten Stock angekommen, ist sie außer Atem. Wo ist ihr Ausweis? Sie weiß für einen Moment nicht einmal, wo sie anfangen soll zu suchen. Sie muss mit ihrer Verzweiflung kämpfen. Tränen schießen ihr in die Augen. Wo hat sie nur ihren Ausweis? Sie kramt sich durch all ihre Taschen, und schnell breitet sich das Chaos wieder in ihrer Wohnung aus, aber sie hat Angst, Frieder könnte doch abhauen. Erleichtert findet sie den Ausweis in einem alten Jackett, das an der Tür hängt. Glücklich schmeißt sie ihn in ihre Handtasche. Sie geht ins Bad, schnappt sich ein Handtuch und wirft auch schnell noch ihre Zahnbürste, die sie wie immer boshaft ansieht, in die Handtasche. Sie beeilt sich, ihre Wohnung wieder zu verlassen. Im Flur zögert sie kurz, hastet kurz zurück ins Wohnzimmer, greift nach dem Rotwein und trinkt direkt aus der Flasche. Ein paar Tropfen laufen an ihrem Kinn entlang, sie benutzt ihren Handrücken zum Abwischen und spürt, wie sie ihren roten Lippenstift im Gesicht verschmiert. Scheiße. Sie eilt ins Badezimmer und tupft in ihrem Gesicht, wischt mit ihren Fingern. Bevor sie sich ein niederschmetterndes Urteil bilden kann, dreht sie sich um. Sie muss hier weg. Schnell hastet sie die Treppenstufen hinab. Steigt in das Auto und nickt Frieder nur an. Er lächelt zurück und fährt los. Sie reden nicht. Fahren auf die Autobahn Richtung Osten. Sie schließt ihre Augen. Zufrieden. Der Rotwein hat seine Tat vollbracht.
    Sie wird von einem sanften Schütteln geweckt, und als sie die Augen öffnet, lächelt Frieder sie an. »Dein Ausweis?«
    Sie hebt ihre Tasche vor ihren Füßen hervor, kramt zwischen alten Einkaufsrechnungen, Tampons, drei verschiedenen Chanel-Lippenstiften, einem Kugelschreiber, doch ihren Ausweis findet sie nicht. Panisch dreht sie die Tasche und schüttet den Inhalt auf der Fußmatte aus, dabei flattert der ramponierte Personalausweis hervor. Sie wirft einen Blick auf das uralte Passbild, wie unschuldig und anders sie darauf aussieht, und kurz erfasst sie eine Traurigkeit. Sie reicht Frieder den Ausweis, bückt sich und sammelt die am Boden verstreuten Sachen ein. Dann richtet sie sich wieder auf und sieht aus dem Fenster hinaus. Draußen ist es dunkel, sie stehen in einer Auto­schlange, und ein Zollbeamter in fremder Uniform trifft ihren Blick, sie schauen sich kurz an. Traurig auch seine Augen. Ob auch er die Sehnsucht nach einem anderen Leben verspürt? Sie mag jetzt nichts kaputt machen. Vielleicht kann sie jetzt noch mal von vorne anfangen. Zu romantisch das Ganze, als wäre es ihre Idee gewesen oder existiere nur in ihrem Kopf. Vielleicht war es ihre Idee. Nein. Es war Frieders. Sie schließt wieder ihre Augen. Es scheint nur Augenblicke später, als sie erneut von Frieder geweckt wird. Er parkt seinen Wagen, und sie schaut sich verschlafen um, der Mond scheint hell, doch sie kann nicht mehr als die Schatten von großen, alten Bäumen erkennen.
    »Wo sind wir?«, fragt sie ihn.
    »Du siehst schön aus, wenn du schläfst.« Er beugt sich zu

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