Tessa
glücklich und zufrieden bis an unser Lebensende.«
Er liegt da, sieht sie an und ist weit weg.
»Du kannst das nicht mit mir machen! Du kannst nicht abhauen mit mir und dich dann wieder verpissen. Das geht nicht. Was macht sie denn jetzt?«
»Ich weiß nicht.«
»Ach, und du hoffst auf Übereinkunft?«
»Nein.« Er wird wütend. Schlägt die Decke zur Seite. Sie ist einen Moment überrascht von seiner heftigen Reaktion. Er setzt sich auf die Bettkante. Stützt die Hände in den Kopf. Bleibt nackt und regungslos dort sitzen. In ihrem Kopf die Stimmen, die ihr sagen, dass sie ihn will, weil es sie abhält, wahnsinnig zu werden, weil sie sich selber spürt. Vielleicht aber auch nur, weil sie sich geliebt fühlt. Er kehrt zu seiner Frau zurück. Und sie? Nach Hause? Allein? Zu Nick zurück? Sie hat ein schlechtes Gewissen. Will Nick sie, so wie sie ist? Sie glaubt es nicht und hebt ihren Blick.
»Ich will, dass du bei mir bleibst. Deine Frau verlässt.«
Frieder stöhnt und legt seinen Kopf in seine Hände.
Sie steht auf, stellt sich vor ihn und sagt kalt: »Du blödes Arschloch.«
Sie zieht sich ihr Kleid an, schweigend. Nimmt ihre Tasche, an der Tür wartet sie auf Frieder, der die Handtücher und seine Sachen zusammenpackt. Sie will nicht mehr mit ihm reden. Kämpft mit den Tränen, will aber nicht weinen wegen dieses Idioten.
Die Rückfahrt wird lang. Er hat das Zimmer bezahlt. Sie ist nicht einmal dankbar. »Kannst du mir Geld borgen?«
»Wofür?«
»Zum Überleben«, antwortet sie knapp.
»Wie viel brauchst du?«
»Zweihundert Euro.«
»Wir können an der nächsten Bank in Deutschland halten.«
»Danke.«
Mehr sagt und wird sie nicht sagen, selbst als sie an der Sparkasse am Stadtrand Berlins halten. Hellersdorf oder wo auch immer. Ganz tot und voller Depression knüllt sie das Geld in ihre Handtasche. Wie billig dieses Arschloch doch davonkommt.
Frieder hält vor ihrer Haustür. Er lässt den Motor laufen, dreht sich zu ihr und will sich zu ihr rüberbeugen, doch sie wendet sich schnell ab und steigt aus dem Wagen.
»Mach’s gut«, sagt er zum Abschied.
Sie dreht sich wieder um, bückt sich in den Wagen rein und sieht ihn entgeistert an. »Mach’s gut?«, zischt sie ihn an. »Fick dich.«
Sie lässt die Beifahrertür einfach offen stehen. Beim Überqueren der Straße hört sie das Zuschlagen der Tür. Zwischen den Autos bleibt sie stehen, dreht sich um. Bitte guck herüber, doch er sieht geradeaus, als wäre sie schon aus seinem Leben verschwunden. Sie bleibt vor ihrer Eingangstür stehen, kann den Gedanken nicht ertragen, alleine in ihre verlassene Wohnung zu gehen. Sie fängt an zu wimmern. Wo soll sie nur hin? Sie macht auf dem Absatz kehrt und geht in Richtung Rosenthaler Platz zur U-Bahn. Ihr ist kalt, der Sommer scheint vorbei zu sein. Vielleicht sollte sie doch kurz nach Hause und eine Jacke holen? Sie verwirft den Gedanken. Nein, später. Jetzt muss sie sich bei Nick entschuldigen gehen. Vielleicht wird dann wieder alles gut. Sie kann sich von ihm was zum Überziehen geben lassen.
Auf dem U-Bahnhof kauft sie sich einen Latte macchiato. Sie schüttet noch kräftig Zimt und Schokolade drauf, keinen Zucker, denn der macht fett. Sie nimmt sich einen Deckel, der jedoch nicht passt, greift nach der nächsten Größe, die Verkäuferin raunzt sie an, sie könne ja nun nicht alle benutzen. Auch der größere passt nicht. Immer überall Probleme.
Sie hört die U-Bahn einfahren, die letzten Stufen springt sie hinunter und rennt den kurzen Weg. Außer Atem hüpft sie in die Bahn. Nur wenige freie Sitzplätze, sie quetscht sich in eine Lücke und hört das Grumpfen einer fetten Frau neben sich, als diese versucht, sich schmaler zu machen. Geht nicht. Sie sieht sich um. Ihr Blick bleibt bei einem hässlichen Pärchen hängen, das an der Tür steht und sich küsst. Brillengläser klacken aneinander. Das Mädchen steht leicht geknickt, und dennoch muss sich der Typ in die Höhe recken. Er macht spitze Lippen, gierig küsst er sie wie ein junger Welpe. Hilflos. Sie ist unangenehm berührt. Ihr ist schlecht. Schräg gegenüber sitzt ein Dreißigjähriger in ausgewaschener Jeans und mit schwarzem Kapuzenpulli. Er nippt an seinem Beck’s und lächelt sie verschmitzt an. Verlegen muss sie wegschauen. Am Hermannplatz steigt sie um. Sieben Meter hohe Decken. Blonde Extensions kreuzen ihren Weg, Solariumsbräune und Tönung aus der Tube. Spitze Schuhe mit hohen, schmalen Absätzen. Der Gang mit
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