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Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Titel: Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauritius Much
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Alternative mehr zum Islam.« Lisa ist also erst seit drei Jahren Muslima. Aber sie hat die eigentliche Frage nicht beantwortet. Warum ist sie von Kopf bis Fuß verschleiert? Hätte nicht auch ein einfaches Kopftuch gereicht? Vielleicht hat sie als Konvertitin Angst, dass die geborenen Moslems sie nicht ernst nehmen, und will deshalb mit der Burka zeigen, wie überzeugt sie vom Islam ist? Nicht selten leben Menschen, die erst kürzlich zum Islam übergetreten sind, eine radikalere Vorstellung vom Koran. Im Extremfall können solche Konvertiten sogar zu islamistischen Terroristen werden, wie die Mitglieder der terroristischen Sauerland-Gruppe oder die deutschen Dschihad-Kämpfer in Afghanistan.
    »Ich verstehe ja, wenn man gläubig ist«, bohrt das Mädchen auf dem Beifahrersitz weiter. »Aber dafür muss man doch nicht den ganzen Körper verschleiern, oder?« Der Kopf unter der Burka nickt, zumindest ein bisschen. »Stimmt schon. Man muss den Schleier nicht unbedingt tragen.« Man merkt Lisa an, dass sie sich ständig für ihr Aussehen und ihre Religion rechtfertigen muss. »Ich mache es, weil es am vernünftigsten ist«, antwortet sie dann.
    Die Beifahrerin und Veronique starren Lisa verblüfft an. Was soll denn an einer Burka vernünftig sein? Sie ist doch furchtbar unpraktisch, darunter schwitzt man sicher wie die Sau. Und ständig wird man blöd angeglotzt, weil einen alle für eine islamische Terroristin halten. »Entschuldige bitte, aber was ist daran vernünftig, den ganzen Körper zu verschleiern?« Veronique kann nicht länger ruhig bleiben. »Männer sind schwach«, antwortet es unter der Burka. »Es ist nun mal eine Tatsache, dass Männer Frauen anglotzen.« Dagegen könne man nichts anderes machen, als sich zu verschleiern. Nur so könne man unzüchtige Blicke der Männer vermeiden.
    Macht Lisa es den Männern damit nicht zu einfach? Damit wälzen die Männer das Problem doch nur auf die Frauen ab. Warum sollen sich die Frauen verschleiern, nur weil die Männer es nicht schaffen, mit dem Glotzen aufzuhören? Veronique traut sich aber nicht, ihren Einwand vorzubringen. Das gibt nur wieder eine Grundsatzdiskussion über die Rolle von Mann und Frau in der westlichen Gesellschaft. Und da würden Lisa und sie mit Sicherheit auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. Nicht mit einer Frau, die sich verschleiert, damit sich Männer bloß nicht ändern müssen.
    Also schweigt Veronique, stattdessen fährt Lisa fort. »Der Einzige, der mich ohne Verschleierung sehen darf, ist mein Mann.« Seit drei Jahren ist sie mit einem Saudi verheiratet. Wegen ihm ist sie zum Islam übergetreten. Sofort entstehen neue Bilder in Veroniques Kopf. Er muss sie gezwungen haben, sich zu verschleiern. Wahrscheinlich macht sie das nicht aus freiem Willen, sondern hat sich von ihrem Mann indoktrinieren lassen. Der hält sie bestimmt zu Hause wie einen Hund im Zwinger. Doch dann wischt Veronique ihre Gedanken beiseite. Irgendwie hat sie auch nicht das Gefühl, dass Lisa der Typ Frau ist, der sich unterdrücken lässt, sie macht eher einen selbstbewussten Eindruck. Und scheint ein selbstständig denkender Mensch zu sein. Oder hat sie sich das von ihrem Mann lange genug eintrichtern lassen?
    Der Beifahrerin mit den kurzen Haaren scheint es ganz ähnlich zu gehen. »Aber sonst tragen Frauen doch nur bei Islamisten wie den Taliban eine Burka?« Sie will Lisa aus der Reserve locken, doch die bleibt ruhig. »Es stimmt leider, dass Fundamentalisten die Frauen zwingen, sich zu verschleiern.« Aber es sei im Islam durchaus nicht unüblich, dass Frauen freiwillig eine Burka trügen. So wie sie selbst. Lisa jedenfalls lehne jede Art von religiösem Fundamentalismus rigoros ab. Stattdessen wirbt sie für Toleranz zwischen den Religionen. »Christen und Moslems können doch wirklich Freunde sein. Leider sehen das manche Muslime ganz anders«, gibt sie zu. ›Meist sind das aber genau die Moslems, die Frauen eine solche Burka aufzwingen‹, denkt sich Veronique.
    Sie ist hin und her gerissen. Lisa ist ja nicht dumm. Aber andererseits kann Veronique überhaupt nicht verstehen, dass man den ganzen Körper verschleiert. Dazu ist es für Lisa mit der Burka allein nicht getan. Sie darf nicht mit Männern auf so engem Raum zusammensitzen. Deshalb hat sie die Fahrt auch nur für Frauen angeboten – ausnahmslos. Veronique schüttelt den Kopf. Männer können sie ja gar nicht unzüchtig anglotzen, die sehen ja gar nichts vor lauter schwarzem Stoff. Außerdem

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