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Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Titel: Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauritius Much
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ihren verflossenen Freundinnen, doofen Chefs oder angeblichen Heldentaten in der Jugend. Aber dass ihr auch die Kraft ausgehen kann, wusste sie bis heute noch nicht.
    Erschöpft lässt sich Lena in den Beifahrersitz plumpsen. Am liebsten wäre sie jetzt in ihrem Bett, dann würde sie sofort einschlafen. »Hey … sorry, dass ich dir nicht … vorher Bescheid gesagt habe … war echt sehr nett von dir … mir tragen zu helfen … Dafür fahr ich dich in München auch direkt nach Hause …« Das ist allerdings mal ein Wort und sehr praktisch. Denn sonst hätte Lena mit der U-Bahn fahren und dann noch in den Bus umsteigen müssen.
    Marc erzählt Lena, dass er Sozialpädagoge ist. Er arbeitet mit Jugendlichen, oft macht er mit ihnen auf Kajaks Ausflüge. Gerade war er mit kriminellen Teenagern für mehrere Tage in der Schweiz. Damit sie mal aus ihrem tristen Alltag rauskommen und lernen, zusammen in einem Boot zu sitzen und gemeinsam Verantwortung füreinander zu übernehmen. Für den Ausflug hat er sich die Boote von seinem Kumpel geliehen. Interessiert hört Lena zu. Ist also doch kein surfender Träumer, sondern er macht was richtig Sinnvolles. Gar nicht so blöd, der Typ. Langsam findet sie ihn irgendwie sogar sympathisch, auch wenn die Nummer mit den Booten unter aller Kanone war.
    »Hey … hast du einen iPod? … wenn du Lust hast … können wir deine Musik hören …« Lena muss lächeln. Marc gibt sich Mühe. Er hat gemerkt, dass die Sache mit den Kajas echt nicht nett war. »Ja, cool«, sagt sie und reicht ihm ihren iPod. Er steckt ihn an das Autoradio an. Dann hören sie den bombastischen Rock von Arcade Fire, Lenas absoluter Lieblingsband. »Hey … Arcade Fire … die mag ich auch …«
    Sie hören das Album fertig, dann ist wieder Marc an der Reihe. Es ist eine Punk-Band, von der Lena bis jetzt nichts gehört hat. Aber die Songs findet sie gut. Marc verspricht ihr, ein, zwei Lieder per E-Mail zu schicken. Im Gegenzug sagt sie zu, ihm die neue Platte von Arcade Fire zu senden. Daran, dass Lena Marc lange für einen kiffenden Surfer, der nichts auf die Reihe kriegt, gehalten hat, denkt sie schon lang nicht mehr. Jetzt ist ihr das sogar ein bisschen peinlich. Denn Marc ist schon ein recht witziges Kerlchen …
    Dann schnappt er sich seinen iPod und grinst. »Hey … ich hab da neulich von einem Kumpel ein Lied bekommen … da lachst du dich schlapp …« Oh ja, das will Lena hören. Sie ist gespannt, was Marc ihr da zeigen will. »Der Typ von dem Lied … heißt Rainald Grebe.« Lena schüttelt den Kopf, von dem hat sie noch nie was gehört. Marc kannte ihn auch nicht.
    »Hey … das Lied heißt Brandenburg.« Okay, denkt sich Lena. In Berlin war sie schon öfter. Dort hat sie auch ein paar Freunde, aber Brandenburg? »Da will doch keiner hin, habe ich gehört.« Marc prustet los. »Wart’ nur ab …« Dann beginnt der Song.
    »In Brandenburg ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt.« Marc lacht los. Auch Lena grinst. Ihre Berliner Freunde haben ihr erzählt, dass es viele Verkehrstote in den alleeähnlichen Brandenburger Landstraßen gibt, weil die jungen Leute dort anscheinend nichts anderes mit ihrem Leben anfangen können als rasen. Es gibt sogar einen Ausdruck für die tödlichen Unfälle: sich um den Baum wickeln. Dann singt Grebe weiter »Halleluja Berlin, alle wollen dorthin, also will ich das auch.« Genauso ist es. Jeder Umlandheini denkt, nur weil er nach Crazy-Berlin zieht, wird er den Provinzmief los.
    Der Grebe trifft den Nagel auf den Kopf, Lena ist total begeistert. Sie fleht Marc an, ihr den Link zum Lied noch heute per E-Mail zu schicken. Das macht er auch. Sobald er neue, coole Musik oder witzige Kabarettstücke hat, schickt er sie an Lena. Sie sind Freunde geworden – und Lena ein richtiger Rainald Grebe-Fan. Sie hatte alle Platten von ihm zu Hause, kein Konzert verpasst sie. Nur kommen ihr seitdem jedes Mal Kajaks in den Sinn, wenn sie Brandenburg hört.

»Müllleeeer.« Die Dame am anderen Ende der Telefonleitung hört sich sehr energisch an. Und legt sofort nach: »Was wollen Sie?« Johann ist perplex. So resolut ist selten jemand am Telefon. Er ringt nach Worten. »Hallo? Ist da wer?«, ruft die Damenstimme ungeduldig. »Jaja«, stammelt Johann. Stockend erklärt er, dass er wegen der Mitfahrgelegenheit von Leipzig nach Berlin anruft. »Ach so«, sagt die Stimme, nun wesentlich gefasster. »Ich dachte, Sie sind wieder so ein Kerl, der mir ein Dauerlos von

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