Testobjekt Roter Adler
verankert gewesen.
Bridgeman machte sich in seiner Freizeit ein Vergnügen daraus, die damalige Situation in einer Art von Sandkastenspiel generalstabsmäßig darzustellen. Daraus ging hervor, wie einfach die Vernichtung der Spanier gewesen wäre.
Diese Zeiten waren lange vorbei. Jetzt hatten wir es mit einem Mann zu tun, den mit dem Begriff »Bestie« zu bezeichnen mir schwerfiel.
Horatio-Nelson Bridgeman war ein typischer Europäer, vor allem aber Brite. Britischer als er konnte man überhaupt nicht sein.
Hochgewachsen, schlank, die von silbergrauen Strähnen durchzogenen Haare glatt zurückgekämmt, stets sportlich wirkend, hatte er bei unserem Antrittsbesuch vor mir gestanden.
Er war das Abbild eines korrekt gekleideten Gentleman. Seine Aussprache und die gepflegte Ausdrucksweise deuteten auf seinen Bildungsstand hin. Meine Vermutung hatte sich bestätigt. Er war in den Gebäuden der alten Universität Oxford ausgebildet worden.
Seinen Wehrdienst hatte er als Major der Reserve mit der Benotung »vorzüglich« absolviert. Seine späteren Kollegen hatten ihn stets als großartigen Freund und Kameraden kennengelernt.
Wie, um alles in der Welt, hatte sich ein Mann wie er dazu hinreißen lassen, einem eindeutig wahnsinnigen Verbrecher wie Jerome A. Bulmers die Hand zu reichen?
Ich verstand vollauf, daß ein von Natur aus hochbegabter Mensch wie Bridgeman von einer Quotientenaufstockung nach marsianischem Vorbild begeistert gewesen sein mußte. Wahrscheinlich hätte ich an seiner Stelle ebenfalls zugegriffen.
Dazu kam ein weiterer Faktor, der es mir noch mehr erschwerte, Horatio als Verbrecher anzusehen.
Im Gegensatz zu Van Haetlin oder Peroni hatte sich Bridgeman niemals an Experimenten mit entführten Menschen beteiligt – im Gegenteil!
Wir wußten auf Grund unserer Bewußtseinsspionage, daß er Bulmers heftige Vorwürfe gemacht und sich angewidert abgewendet hatte.
Er war nicht einmal ein Gewalttäter aus Befehlsnot, sondern lediglich ein genialer Mann, den die marsianische Hinterlassenschaft fasziniert und angelockt hatte.
Nur er hatte einen derart hohen Intelligenzquotienten von 55,34 Neu-Orbton erreicht. Nur er war nach vollendeter Ausbildung intelligent und selbstbeherrscht genug gewesen, seinen Lehrmeister und Freund, Professor Bulmers, zwingend zu ersuchen, über seine, Bridgemans, Aufstockung kein Wort zu verlieren.
Nach vollzogener Quotientensteigerung hatte er jedoch seine erste Untat begangen. Er hatte einen Suchtkranken präpariert und ein Flugzeug mit hundertsiebenundachtzig Personen an Bord abstürzen lassen.
Natürlich hatte er das als logisch fundierte Notwendigkeit angesehen, was er mir gegenüber auch beteuerte.
Hier, auf diesem Sektor, begann Bridgemans Seelenzwiespalt. Er hatte die unschuldigen Opfer der Flugzeugkatastrophe aufrichtig bedauert. Der Gedanke an das Unglück hatte ihn wochenlang aufs Krankenlager geworfen. Das änderte aber nichts daran, daß er wegen eines für ihn erstrebenswerten Vorteils zum Massenmörder geworden war.
Diesen Vorwurf machte er sich auch. War er nun geistig geschädigt oder nicht? Konnte ein genialer Wissenschaftler, der sich zum Beherrscher der Menschheit aufschwingen wollte, wegen hundertsiebenundachtzig Menschenleben auf die Erringung seines großen Zieles verzichten?
Es war paradox, daß sich Bridgeman allmählich dazu durchrang, sich für einen Wohltäter zu halten. Ich glaubte aber nicht, daß man diese Einstellung als echten Geistesschaden ansehen konnte.
Es ließ sich deshalb nicht mit Überzeugung
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