Testobjekt Roter Adler
daß Hannibal und mir die Lederjacken mit den auffälligen Rückennummern abgenommen wurden. Seitdem trugen wir gutgeschnittene Sportsakkos aus Kunstfasermaterial.
Um unsere Hosen und Stiefel hatte man sich nicht gekümmert, zumal sie bei der von Bridgeman angeordneten Leibesvisitation ungefährlich erschienen waren.
Plötzlich rief mir Hannibal erneut eine Warnung zu. Was ging in Havelinks Schädel vor?
Ich sondierte ihn sofort und stellte fest, daß er mir mit Haßgefühlen begegnete. Was ihm an mir mißfiel, konnte er sich selbst nicht erklären.
Als ich tiefer in sein Unterbewußtsein vordrang, erkannte ich die Quelle des Übels.
Er neidete mir meine bevorzugte Stellung, vordringlich aber meinen hohen Intelligenzquotienten. Er befürchtete durch mich stärker in den Hintergrund rücken zu müssen, denn er hatte gehofft, Bridgeman würde ihn in den kleinen Kreis der bevorzugten Ingenieure und Naturwissenschaftler aufnehmen. Eigentlich wollte er nicht mehr erreichen, als ebenfalls an einem der Tische jenseits der beiden Stufen zu sitzen.
Ich war überrascht, wie primitiv der Bursche im Grunde war. Er galt als erstklassiger Elektronikmann und schien es auch zu sein. Sein Innenleben war jedoch unterentwickelt und hatte mit seiner technischen Ausbildung nicht Schritt gehalten.
»Interessant, wie?« rief mich Hannibal an. »Hast du den Grund erkannt? Mich nimmt er nicht wichtig, denn ich bin Arzt. Du aber fällst halbwegs in sein Fach. Er hat gehört, daß Van Haetlin eine ganze Menge von marsianischen Positroniken versteht. Nimm dich vor Havelink in acht. Er hat etwas vor. Ich erkenne unterschwellige Impulse, aus denen ich aber nur herauslesen kann, daß er Bridgeman auf dich hetzen will. Havelink grübelt noch an seinem Plänchen herum.«
Es war unglaublich, auf welche seelischen Abgründe man stoßen konnte. Um sie klar durchleuchten zu können, mußte man ein Telepath sein.
Ich lachte unwillkürlich auf.
Dr. Jean-Baptiste Armand hob den Kopf. Die schwarzen Lockenhaare umrahmten sein blasses Gesicht. Er musterte mich erstaunt.
Der Biologe Radokowsky dagegen, ein fettleibiger Hüne mit dem Appetit eines Schwerathleten, redete mich in seiner munteren, bewegliche Art sofort an.
»Haben Sie an eine kleine Blondine gedacht, oder an das miserable Essen?« erkundigte er sich. Mißbilligend den Kopf schüttelnd, schob er den Teller mit einem Rest der dicken Suppe zurück. »Das sollte geändert werden.«
»Richtig«, pflichtete ich ihm bei. »Ich habe Professor Bridgeman um eine Unterredung gebeten. Er will mich gegen fünfzehn Uhr empfangen. Soll ich versuchen, ihm Ihre lukullischen Nöte zu schildern?«
Fedor faltete die Hände vor dem schweren Hängebauch und richtete die wasserblauen Augen anklagend gegen die Decke. Sie war lediglich mit einer plastikähnlichen Masse gespritzt.
»Unterlassen Sie das lieber«, meinte er weinerlich. »Bridgeman ist ein anspruchsloser Mensch. Er würde mich nicht verstehen.«
Coolert, allgemein »Archi« genannt, grinste breit. Sein Lausbubengesicht war mit Sommersprossen übersät. Er war der Jüngste in der kleinen Gruppe, aber man sagte ihm nach, er wäre der Könner auf seinem Fachgebiet.
»Blödsinn. Probieren Sie es nur. Es wäre doch gelacht, wenn wir unsere Versorgung nicht verbessern könnten. Überall in der Welt kann man einkaufen, warum nicht in den naheliegenden Anden-Großstädten? Wenn sich unsere Küken anständig benehmen und die Leute nicht zu starr anschauen, fallen sie nicht auf.«
Der Begriff »Küken« störte mich. Damit waren die zu Robotern degradierten Menschen gemeint. Ich hatte unter ihnen
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