Teufel - Thriller
nichts mehr sehen, aber er konnte genau spüren, wie weit jemand entfernt war.
»Ich habe dich beraten, so gut ich konnte, habe dir das Archiv des Schwarzen Bureaus übergeben und dir Dinge beigebracht, die nur wenige wissen. Ich habe dir… das Geheimnis gezeigt…« Jauerling holte röchelnd Luft. »Ich habe versucht, meine Fehler wiedergutzumachen, aber du und ich wissen beide, dass es zu viele waren. Ich war lange Jahre die schwarze Seite der Macht, wie es ein Kaiser einmal nannte, die rechte Hand des Teufels.« Jauerling lachte leise keuchend. »Und ausgerechnet der will mich jetzt nicht haben. Vielleicht mag er keine Krüppel.«
Metternich wollte etwas sagen, aber der Zwerg hob unmerklich seine Hand vom reich ziselierten Knauf des Stockes, und der Kanzler wartete. Er schaute nachdenklich auf den verschrumpelten kleinen Mann, der in dem Lehnstuhl fast verschwand. Hatte ihn das Schicksal nicht genug gestraft? Ein brillanter Geist in einem bizarren Körper, der durch Zähigkeit und Disziplin nicht auf einem Jahrmarkt oder in einer Schaustellerbude gelandet war.
Oder im Narrenturm.
»Ich möchte hier begraben werden, Clemens, da, vor dem Fenster.« Die Stimme Jauerlings klang wieder fester. »Ich hätte so gerne hinuntergeschaut auf Wien, ein letztes Mal, aber wir beide wissen, dass es sich nie erfüllen wird. Alles ist schwarz um mich, schwarz wie meine Seele.« Er machte eine Pause. »Du hast heute deinen größten Triumph gefeiert. Aber auch du wirst merken, dass es von ganz oben nur mehr abwärtsgehen kann. Ich werde nicht mehr da sein, aber du wirst an mich denken, wenn du fällst.«
Der Greis verstummte und dann tat er etwas, zu dem ihn Metternich nicht mehr für fähig gehalten hatte. Er nahm den Knauf seines kleinen Stockes in eine Hand und packte mit der anderen die Holz-hülle. Mit einem sirrenden Geräusch zog er ein blitzendes, dreieckig geschliffenes Florett aus dem Stock und hielt es dem Fürsten hin.
»Und jetzt, Clemens, mach endlich Schluss«, flüsterte er, »ich will gehen.«
Der Kanzler schaute wie erstarrt auf den alten Weggefährten.
»Als Freund wirst du mir diesen letzten Wunsch erfüllen, nicht wahr?«, kam es aus dem Lehnstuhl. Die Hand Jauerlings zitterte nicht.
Metternich blieb stumm.
»Ich habe dir fast alles aus meinem Leben erzählt, in den langen Jahren, die wir nun gemeinsam durch Europa gezogen sind.« Jauerling hustete. »Fast alles.«
»Streng dich nicht an, alter Freund«, beruhigte ihn der Kanzler und legte ihm beruhigend den Arm auf die Hand mit dem Florett. »Der Tod wird früh genug kommen. Er ist ein hartnäckiger Mann, weißt du?«
Der Zwerg schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Manchmal vergisst er jemanden oder er darf ihn nicht holen, so seltsam das auch klingt. Ich habe dir nie von Turin erzählt, Clemens, von jener Nacht. Ich war da, vor langer Zeit, und ich hatte Todesangst.« Jauerling holte keuchend Luft. »Ich war nach Turin gekommen wegen eines Verdachts, einer unglaublichen Geschichte. Doch in dieser Nacht verriet mir ein Fremder ein Geheimnis, das Geheimnis der Kaiser, indem er mich kurierte. Ich kannte ihn nicht, ich wollte dieses Geheimnis nicht haben, glaub mir, ich hatte keine Ahnung. Es wäre besser gewesen, er hätte es für sich behalten. Denn es ist fürchterlich und bringt Tod und Verderben.«
Metternich fragte sich, ob sein alter Freund nicht im Fieber sprach. Er legte vorsichtig seine Hand auf die Stirn des Zwerges, doch sie war kühl.
Jauerling lachte. »Nein, Clemens, ich weiß noch, was ich rede. Eine kleine rote Pille war alles, dessen es bedurfte.« Seine Augenlider hoben sich. Die toten Augen blickten ins Leere, und Metternich schauderte. »Er hat mich geholt, indem er mich zum Leben verdammte«, flüsterte er. »Und jetzt will er mich nicht haben.«
»Von wem sprichst du?«, fragte Metternich stirnrunzelnd.
»Man nennt ihn nicht im Ernst beim Namen«, raunte Jauerling, »nur wenn wir leichthin fluchen, dann kommt er uns wie selbstverständlich über die Lippen. Er ist immer da, bereit, uns zu versuchen und ins Verderben zu stürzen. Dabei ist es so leicht, ihm zu verfallen…« Die Stimme des Greises wurde immer leiser.
»Du warst in Turin und er auch?«, fragte Metternich leise.
»Ich habe ihn gesehen und mit ihm gesprochen«, wisperte der Zwerg, »einem blonden Mann mit leuchtend blauen Augen, allzu hilfsbereit, immer zuvorkommend. Zur rechten Zeit am rechten Ort. Ich wollte, ich wäre nie nach Turin gefahren. Und nach
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