Teufel - Thriller
Körper der Husaren langsam davontrieben.
Der Colonel, wie durch ein Wunder nach der ersten Salve unverletzt, hatte den Kopf eingezogen und war in Richtung Ufer gehechtet. Auf allen vieren kletterte er den Abhang hinauf. Zwischen seinen Fingern quoll der Uferschlamm hervor, und er war zunächst erleichtert, aus dem kalten Fluss entkommen zu sein. Doch da stieß er mit seinem Kopf fast auf eine Wand aus schwarzen Schnürstiefeln mit grauen Wickelgamaschen. Zuerst waren es zwei, dann vier, sechs, acht, zehn und es wurden rasch immer mehr.
Gerome Carlet spürte die Tränen aufsteigen. Verzweifelt biss er sich in die Wangen, ballte die Fäuste und hob den Blick. Er hatte bisher alle Schlachten überstanden. Dies hier war sein finales Gefecht. Deutschmeister waren das Letzte, was er in diesem Leben sehen sollte.
Dann krachte ein Schuss, und es wurde schwarz um den Colonel.
Am nächsten Morgen stand Louis Ferrand im Sirenensaal des Klosters San Giovanni Evangelista in Parma. Der alte Abbé strich mit den Fingerspitzen über die kunstvollen Schnitzereien an den Regalen, schmunzelte über die reizvollen Körper der Nereiden und Nixen, die diesem Teil des Klosters seinen Namen gegeben hatten. Er bewunderte die Kunstfertigkeit der Arbeiten und die Hunderten Bände und Herbarien zur Apothekerkunst.
Der Jesuit hatte gleich nach der Morgenmesse den verletzten Marino Marini an seinem Krankenbett besucht. Dem Monsignore ging es etwas besser, aber leider war er noch immer nicht transportfähig. Die Wunde an seiner Schulter würde ihn noch für einige Tage ans Bett fesseln, meinten die behandelnden Ärzte. Doch dies beunruhigte Ferrand nicht. Der Wagen mit den wertvollsten Kisten des Geheimen Archivs stand sicher bewacht in der Kapelle von San Michele.
Ferrand wanderte durch das Laboratorium und die Bibliothek des Klosters. Er war neugierig, wollte wissen, welche Fortschritte die hiesigen Benediktiner bei ihren Experimenten gemacht hatten, lebenserhaltende Drogen und Mixturen nach den Angaben des Grafen von Saint-Germain zu erschaffen.
Da hörte er hastige Schritte und drehte sich um. Völlig aufgelöst stürzte ein junger Benediktiner auf ihn zu. »Monsieur Ferrand! Monsieur Ferrand! Es ist etwas Furchtbares passiert!«, rief er keuchend.
»Ist etwas mit Marini?«, fragte der Jesuit beunruhigt.
»Nein, Monsieur!« Der Mönch beugte sich vornüber und atmete schwer. »Die Wagen…! Sie sind weg! Einfach verschwunden, zusammen mit den deutschen Soldaten!«
Ferrand taumelte zurück. »Was?«, entfuhr es ihm. »Wie konnte das geschehen? Was ist mit dem Wagen in der Kapelle des Erzengels Michael?«
Der junge Mönch sah ihn erschrocken mit großen blauen Augen an. »Ebenfalls entwendet!«
Der Abbé stieß den jungen Pater zur Seite und lief fassungslos durch den Raum, auf und ab, als könne er dadurch die Wagen wieder zurückholen. »Wie? Wann? Warum?«, wiederholte er immer wieder.
»Heute vor der Prim«, antwortete der Mönch ganz aufgelöst. »Als die Brüder und ich in die Kirche gegangen sind, um das Morgengebet zu singen, waren die Wagen bereits verschwunden. Wir haben sofort den Abt informiert, aber der meinte, die Soldaten wären bestimmt schon auf österreichisches Territorium vorgedrungen. Es sei alles zu spät.«
»Törichter Knabe!«, zischte Ferrand und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Ihr könnt nichts dafür. Ihr seid in jeder Beziehung blauäugig und habt nur Eurem Abt gehorcht«, murmelte er und zwang sich, aufmunternd in Richtung des jungen Benediktiners zu lächeln.
Der Mönch verstand offensichtlich nicht, was der Jesuit mit seiner Metapher gemeint haben könnte, aber erwiderte dankbar das Lächeln.
Ferrand blieb schließlich vor dem Fenster stehen und starrte hinaus. »Wenn meine Leute und ich jetzt losreiten, holen wir sie vielleicht noch ein, bevor die Deutschmeister die Grenze zur Toskana überquert haben…«, überlegte er laut.
»Das wäre völlig sinnlos, mein Freund.« Ferrand fuhr herum und sah Marini kreidebleich vor ihm stehen. Seine Lippen waren ganz dünn vor Schmerzen, und Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn. Der Geistliche trug eine scharlachrote Soutane und stützte sich auf den Arm eines Zisterziensers. »Ihr habt keine Chance, und das wisst Ihr. Die Deutschmeister würden Euch zusammenschießen, ohne viel zu fragen. Das ist eine Elitetruppe.«
Der weiße Pater half Marini, der sich ächzend in einen Stuhl sinken ließ. Dann sah der Zisterzienser Ferrand an.
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