Teufel - Thriller
Gehen nahm er die Karte, knickte sie in der Mitte und ließ sie in einen Kanaldeckel gleiten.
Viel Spaß bei der Ortung, ihr Ratten, dachte er, während er auf ein kleines Restaurant zulief. Er hatte Hunger und außer einem Kaffee heute früh nichts im Magen.
Eine freundliche Kellnerin nahm seine Bestellung auf, stellte rasch den Kaffee und einen gut gefüllten Brotkorb vor ihn hin und meinte: »Die Spiegeleier werden noch ein paar Minuten dauern.« Bertucci lächelte sie dankbar an und begann die Nummer von Valerie Goldmann zu wählen. Doch da ertönte nach dem ersten Läuten bereits die Ansage der Mailbox.
Enttäuscht legte der Kardinal das Handy zur Seite. Wo sollte er in Wien beginnen? Wagner? Sina? Die Gruft Jauerlings würde bereits lange wieder verschlossen sein. Ein Besuch in Sacré-Coeur würde ihn also nicht weiterbringen. Außerdem erinnerte er sich, gelesen zu haben, dass die Verantwortlichen der Schule nichts vom Vorhandensein des geheimen Raums gewusst hatten.
Also Wagner oder Sina. In den Artikeln war ausführlich beschrieben worden, dass Professor Sina zwar am Institut für Geschichte der Universität Wien lehrte, aber auf einer Burg im Waldviertel lebte. Doch einen Versuch war es wert, beschloss Bertucci und fragte die Bedienung nach einem Telefonbuch. Es dauerte keine drei Minuten, bis er das Sekretariat des Institutsvorstandes, Professor Dr. Wilhelm Meitner, in der Leitung hatte.
»Es tut mir leid«, meinte die nette Dame zuvorkommend, »aber Professor Sina ist im Rahmen eines Forschungsauftrags unterwegs, und Professor Meitner ist gerade nicht da, er sitzt der Prüfungskommission vor. Sie wissen ja, wir sind mitten in der Examenszeit. Kann ich Ihnen sonst irgendwie weiterhelfen?«
Bertucci überlegte kurz, während die Kellnerin einen großen Teller mit drei Spiegeleiern vor ihm platzierte und einen guten Appetit wünschte. »Wenn ich Professor Sina nicht erreichen kann, wissen Sie dann vielleicht, wo sein Freund, der Reporter Paul Wagner, wohnt? Ich habe gehört, er soll in Wien zu Hause sein.«
»Ja, ja, ganz genau, warten Sie«, antwortete die Sekretärin eifrig, und Bertucci hörte sie blättern. »Ich habe die Adresse hier irgendwo aufgeschrieben. Es ist aber nicht leicht zu finden, hat man mir erzählt, Herr Wagner lebt nämlich in einer ehemaligen Straßenbahnremise. Halt, da ist sie ja: Paul Wagner, Alter Güterbahnhof 43, Breitensee. Telefonnummer habe ich leider keine aktuelle notiert. Das hier dürfte eine alte Nummer sein, sie ist nämlich durchgestrichen.«
Beim Hinausgehen fiel der Blick des Kardinals auf einen Drehständer mit den lokalen Tageszeitungen. Ein Foto ließ ihn nicht mehr los. Es war eine Großaufnahme der Zahl 666, die offenbar jemandem in die Haut geschnitten worden war. Darüber stand: »War der Priester mit dem Teufel im Bunde?« Bertucci suchte hastig nach Kleingeld und kaufte eine Ausgabe, dann überflog er den Artikel und unterdrückte einen Fluch.
Caesarea war bereits da.
Kommissar Berner zog die schwere Tür der Remise hinter sich zu, ließ seinen Mantel auf einen der Fauteuils fallen und schlenderte zum Küchenblock hinüber. Er stöberte durch die Schubladen und fand schließlich den Besteckkasten, von dem Wagner berichtet hatte. Darunter lagen wie versprochen die Blätter des Memos. Berner zog sie hervor und schaute sich nach der Kaffeemaschine um. Wenn er schon nicht die Zeit hatte, ins Prindl zu gehen, dann musste wenigstens Wagners Blue-Mountain-Vorrat daran glauben.
Bald durchzog der Duft von frischem Kaffee die Remise. Berner legte die dicht beschriebenen Blätter auf den niedrigen Tisch der Sitzgarnitur, ging zurück in die Küche und goss sich eine große Tasse ein. Dann ließ er sich schwer auf das Ledersofa fallen und schlürfte mit Andacht den heißen Genuss.
»So, jetzt schauen wir mal, was die Presse gestern recherchiert hat«, murmelte er und begann zu lesen.
Kardinal Bertucci hatte sich heillos verfranst. Auf dem unübersichtlichen Gelände des alten Güterbahnhofs führten Sackgassen in alle Richtungen, endeten vor Lagerhäusern oder im Dickicht oder an einem Prellbock, der wiederum von Gras und Gebüsch überwuchert wurde. Baumgruppen wuchsen in unregelmäßigen Abständen. Plätze mit welligem Kopfsteinpflaster wechselten sich mit getrocknetem Lehmboden ab, in den Lkw tiefe Furchen gefahren hatten. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Als Bertucci wieder einmal hoffnungsvoll in eine Richtung fuhr und dann frustriert vor einem
Weitere Kostenlose Bücher