Teufel - Thriller
der sich in Bescheidenheit geübt oder sein Licht jemals unter den Scheffel gestellt hätte. Er hätte seinen Fund in die Welt posaunt, als erste Posaune der Apokalypse. Oder in seinem Sinne eher die Einleitung für Ragnarök, die germanische Götterdämmerung…« Er trat einen Stein weg und ging dann langsam zum Eingang des Schlossmuseums. »Nein, hätte er den Corpus gefunden, dann hätte er etwas inszeniert, etwas Theatralisches…« Er blieb stehen. »Wozu oder wonach hätte er sonst zeitgleich auch in Schöngrabern suchen lassen? Nein, hier passt irgendetwas noch nicht zusammen. Ein wichtiges Steinchen im Mosaik fehlt uns noch. Wenn ich nur wüsste, welches…«
Barbara zuckte mit den Schultern und kraulte Tschak zwischen den Ohren.
»Kommen Sie mit«, sagte Georg und zog die Tür zum Museum auf. »Ich werde versuchen, uns ungestört in die Gruft zu bringen. Tschak nehmen wir auch mit, den lasse ich ganz sicher nicht alleine hier draußen.«
Als Barbara und Georg, den Hund an der Leine, den Kassenraum mit der Glastür zur Stiftskirche betraten, verstummten alle Anwesenden und sahen sich fragend an. Nur wenige Augenblicke später kam den drei neuen Besuchern ein junger, blonder Aufseher entgegen und wedelte abwehrend mit den Händen. »Entschuldigen Sie, aber der Hund darf nicht…«
»Grüß Gott!«, antwortete Sina laut und stoppte damit den jungen Mann unvermittelt. »Ich bin Professor Wilhelm Meitner von der Universität Wien, und das ist meine Assistentin. Und der Hund heißt Tenzing Norgay und ist ein tibetischer Rassehund.« Er musterte den verdutzten Aufseher von oben herab. »Sie werden einsehen, dass ich ihn nicht alleine vor der Türe sitzen lasse. Womöglich wird er noch gestohlen oder endet als Ragout. Unvorstellbar!«
»Wie auch immer, Professor…«, versuchte es der Aufseher und bekam rote Wangen. »Hunde sind weder in der Kirche noch im Museum…«
»Entschuldigen Sie bitte – wie war noch gleich Ihr Name?«, erkundigte sich Georg von oben herab. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mit meiner Doktorandin den ganzen weiten Weg von Wien hierher angereist bin, nur um mit der Recherche für unsere nächste internationale Publikation an einer lächerlichen Hausordnung zu scheitern?«
Im Grunde seines Herzens bedauerte Sina den Aufseher. Er hatte stets derartige Auftritte seiner Kollegen gehasst und sich in Grund und Boden geniert. Aber manchmal heiligte der Zweck die Mittel. »Ich werde mich beim Kultusminister persönlich über Sie beschweren!«, donnerte er noch.
»Ist gut, Dirk. Ich übernehme ab hier.« Eine mollige Frau um die fünfzig legte dem Mann ihre Hand auf die Schulter. Sie schenkte ihm erst ein Lächeln, dann forderte sie den jungen Kollegen mit einer Kopfbewegung auf zu gehen. Schließlich wandte sie sich Sina und Barbara zu. Sie hatte eine ovale Brille auf der Nase, halblange blonde Haare mit Stirnfransen, und ihr Blick war aufgeweckt und neugierig. »Guten Tag, Professor Meitner! Ich bin Regina Scheugert vom Besucherdienst der Stiftskirche St. Servatii Quedlinburg. Was kann ich für Sie tun?«
Sina lächelte ein Filmstarlächeln, wie er es von Paul Wagner gelernt hatte. »Frau Scheugert, freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Georg wechselte blitzartig von Moll nach Dur. »Wir hätten eine Bitte, ich weiß, es wird nicht leicht, aber vielleicht könnten Sie das für uns in die Wege leiten, bitte.«
Beide Frauen sahen Sina neugierig an.
»Wir sind extra aus Wien gekommen, um uns die Gruft von König Heinrich für unser nächstes Buch einmal genauer anzusehen. Dazu müssten wir aber bitte ungestört sein, und den Hund, meinen kleinen Tenzing Norgay, würde ich gerne dabeihaben. Er ist mein Maskottchen und meine Spürnase.« Sina lächelte gewinnend.
Regina Scheugert blickte sich kurz nach den anderen Museumsangestellten um, dann nahm sie den Professor etwas zur Seite und raunte ihm zu: »Ich verstehe. Das geht aber nicht während den regulären Öffnungszeiten, Professor Meitner, schon gar nicht, solange ich Führungen durch die Krypta mache. Um 17.30 Uhr bin ich mit dem letzten Rundgang fertig, um 18.00 Uhr wird das Museum geschlossen. Seien Sie also um halb sechs hier, ich hole Sie hier ab, und dann wollen wir doch einmal sehen, was wir für Sie tun können.«
»Das ist überaus freundlich von Ihnen«, strahlte Georg. »Wir werden ganz sicher pünktlich sein.«
Alter Güterbahnhof, Breitensee, Wien/Österreich
K ommissar Berner hatte die Pistole in
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