Teufels Küche
ihn, um seine Krallen zu wetzen. Als er damit fertig war, gähnte er.
»Als Wachhund taugt der Kater nicht viel«, sagte Citron.
»Er hat keine Feinde«, erklärte Haere, drehte sich um, schloß die Tür und ging langsam und behutsam auf den toten Drew Meade zu. Citron folgte ihm dicht auf.
»Ihre Schlösser scheinen ihnen keine Mühe gemacht zu haben«, sagte Citron.
»Nicht viel«, pflichtete Haere ihm bei. Er zog einen Kugelschreiber aus seiner Westentasche und benutzte ihn, um damit Meades nicht zugeknöpftes Jackett beiseite zu schieben. Die beiden Einschüsse in dem weißen Hemd waren kaum zwei Zentimeter voneinander entfernt. Ein Blutfleck in der Größe einer Untertasse hatte sich auf der Hemdbrust ausgebreitet.
»Er hat nicht viel geblutet. Das bedeutet, daß er schnell gestorben ist«, sagte Haere.
»Auf dem Sessel ist auch kein Blut, und der Fleck auf seinem Hemd scheint trocken zu sein. Folglich ist er wohl schon einige Zeit tot, und damit ist der Umfang meiner gerichtsmedizinischen Kenntnisse auch schon erschöpft.«
»Meiner auch«, sagte Haere, als er sich bückte und fast gedankenverloren den Kater auf den Arm nahm, der mit seiner halbsiamesischen Stimme begeistert miaute. Den Kater streichelnd, umkreiste Haere den toten Meade einmal und machte dabei einen weiten Schritt über den aufgerollten Teppich hinweg. »Haben Sie schon einmal einen Toten durchsucht?« fragte er Citron.
»Sollten wir das nicht den Cops überlassen?«
»Welchen Cops?« fragte Haere, der mit dem Kater auf dem Arm Meade noch einmal umkreiste.
»Ich verstehe. Keine Cops.«
»Er ist bereits seit einiger Zeit tot und in Singapur begraben. Wir werden ihn einfach irgendwo an einen Laternenpfahl lehnen, vielleicht drüben in Culver City. Die machen da um Leichen kein großes Theater. Sehen Sie mal nach, was er in den Taschen hat.«
»Ich?«
»Ich muß den Kater füttern.«
Mit Hubert auf dem Arm ging Haere in den Küchenbereich, nahm von einem Regal eine Dose 9-Lives und schnitt den oberen Deckel mit einem elektrischen Büchsenöffner auf. Während Haere Hubert Futter gab, kniete Citron neben dem Huey-Long-Sessel nieder und studierte den Toten.
Drew Meades Augen standen noch offen und aus irgendeinem Grund waren sie auf irgend etwas rechts hinter Citron gerichtet. Unwillkürlich drehte Citron sich um und blickte über die Schulter zurück, aber es gab nichts zu sehen außer einer von Büchern bedeckten Wand. Er sieht aus, als ob er die Titel liest, dachte Citron, und nicht viel findet, was ihn interessiert. Wenn Meades totes Gesicht einen Ausdruck zeigte, dann den der Enttäuschung vermischt mit Geringschätzung. Der Mund schien mit dem Ansatz zu einem höhnischen Grinsen leicht geöffnet zu sein. Der Kopf war etwas zurückgeneigt und stützte sich gegen die hohe, gepolsterte Rücklehne des Sessels. Die leblosen Hände lagen mit den geöffneten Handflächen nach oben auf seinem Schoß in der hilflosen Stellung eines Bittenden, die sie, wie Citron irgendwie wußte, im Leben niemals eingenommen hatten. Die großen Füße standen fest auf dem Boden. Meade roch nach Tod, das heißt, er roch nach Urin und Kot.
Citron seufzte und griff in die Innentasche von Meades Jacke, wie Haere ihn aufgefordert hatte. Er fand einen amerikanischen P aß, den er Haere reichte. In den Außentaschen fand er eine Packung Camels und eine Schachtel Streichhölzer, die den Namen eines Chinarestaurants trug. Er gab beides an Haere weiter. Die Hemdtasche war leer, genau wie die Gesäßtasche der Hose. In einer der Seitentaschen der Hose, der rechten, fand er eine Rolle Geldscheine, die er ebenfalls Haere gab. Die andere Hosentasche ergab vierundsiebzig Cent in Kleingeld, die er wieder in die Tasche zurücksteckte. Dann betrachtete er Meade ein paar Augenblicke lang, zog die Hosenbeine hoch und rollte die kurzen schwarzen Socken hinunter. Unter ihnen war nichts versteckt, nur eierschalfarbenes Weiß über erstaunlich dünnen Knöcheln. Citron richtete sich auf.
»Das wäre’s«, sagte er.
»Er hatte siebenundsechzig Dollar und einen amerikanischen Paß, ausgestellt auf den Namen Donald B. Millrun. Hat er eine Uhr?«
Citron sah nach. »Ja.«
»Nehmen Sie sie ab.«
Citron löste die Uhr vom Arm des Toten, eine automatische Omega Seamaster aus rostfreiem Stahl. Er gab sie Haere. »Raubüberfall?« fragte er.
»Warum nicht?« fragte Haere. »Es wird die Cops glücklich machen.«
»Und was jetzt?«
»Jetzt rollen wir ihn wieder in den Teppich
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