Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Cramer abgespielt hatten.
»Na, und draußen hat einer Schmiere gestanden«, schloss sie, »der wohl auch das Sagen hatte. Als er ungeduldig wurde, hat er den anderen total aus der Fassung gebracht. Der hat dann was gerufen, was genau weiß ich nicht mehr, ist aufgestanden und hat mir das Messer zugeschoben, mit dem ich mich schließlich befreien konnte. Gott, ich habe um mein Leben gefürchtet, aber irgendwie auch in seinen Augen erkannt, dass er das gar nicht will.«
»Hat er Ihnen das gesagt, oder ist das tatsächlich eine Wahrnehmung, die Sie in der Gefahrensituation hatten?«, hakte Doris nach.
»Das weiß ich nicht mehr. Als ich da auf dem Boden lag, hatte ich ’nen Tunnelblick oder so. Aber da war auch irgendetwas, das mir sagte, dir wird nichts passieren. Hm. Wunschdenken vielleicht, aber es hat sich ja schlussendlich auch erfüllt.«
Ihre dünnen Finger wanderten unwillkürlich zu einem silbernen Kruzifix, welches sie aus dem V-Ausschnitt ihres Shirts nach außen beförderte, kurz umklammerte und sich anschließend zwischen die Lippen steckte. Sie spielte mit dem Metall, sah eine Weile ins Leere und fügte nachdenklich hinzu: »Vielleicht hat meine Mom doch recht mit diesem ganzen Bibelkram.«
»Möglich ist vieles«, erwiderte Sabine einfühlsam, »aber so ungern ich das auch sage, wenn Sie mit sich selbst nicht im Reinen sind, werden Ihnen wohl weder Gott noch Ihre Mutter da heraushelfen können.«
»Sind Sie Atheistin?«
»Nein, aber ich habe meine eigenen Erfahrungen mit, hm, komplizierten Verhältnissen. Doch das tut hier nichts zur Sache«, sagte Sabine schnell. »Wir sind hergekommen, um über Ihre Wahrnehmung der Ereignisse zu sprechen. «
»Das bedeutet also, dass Sie mir helfen wollen, wie?«, erwiderte Sybille schnippisch.
»Helfen ist ein ziemlich weitreichender Begriff. Aber ich bin davon überzeugt, dass, wenn Sie uns zu verstehen helfen, was genau vorgefallen ist, die Dinge auch für Sie klarer werden können. Unserer Erfahrung nach funktioniert das in den meisten Fällen ganz gut, vielleicht vertrauen Sie uns ja so weit.«
»Aber da gibt es nichts zu sehen «, wehrte sich Sybille noch immer. »Mir ist nichts passiert, nichts Schlimmes jedenfalls.«
»Hm. Stehen Sie mit dem oder den Tätern in Kontakt?«
»Nein. Na ja, nicht mehr jedenfalls.«
»Wie meinen Sie das?«
»Dieser junge Kerl, ich glaube, der ist jünger als ich, hat mir eine Mail geschrieben und sich entschuldigt.«
»Eine E-Mail? Dürfen wir die sehen?«
»Nein.« Sybille schüttelte energisch den Kopf. »Keine richtige E-Mail, über Facebook. Aber ich habe sie längst gelöscht.«
»Schade. Was stand denn in dieser Mail?«, fragte Sabine weiter.
»Es sei alles aus dem Ruder gelaufen, er schäme sich, wollte hören, ob es mir wieder gutgehe und so. Er hat betont, dass er selbst Angst habe und ich die Unterhaltung unbedingt löschen solle. Das habe ich dann getan.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Und das war’s?«
»Ja, schon.«
»Kein weiterer Kontakt?«
»Nicht direkt, nein.«
»Also kam noch irgendetwas?«, bohrte Sabine beharrlich weiter.
»Hm. Irgendwer hat mit meiner Mutter gesprochen, dann haben sie mich dazugerufen. Es ging um diesen anderen, aber den habe ich ja nicht gesehen. Angeblich hat der sogar schon jemanden umgebracht, na ja, meine Mom hat das ganz schön aufgewühlt, aber der Mann hat ihr versichert, dass die Sache bald überstanden sei. Es dürfe nur keine Anklage gegen den Jüngeren geben, damit dieser ein glaubhafter Zeuge sein kann. Dann haben wir über das Messer gesprochen und darüber, dass ja theoretisch viel Schlimmeres hätte passieren können. Der Jüngere hat sich mit dieser Aktion sogar in Lebensgefahr gebracht, so zumindest klang das Ganze.«
»Eine recht gewagte Betrachtungsweise, finden Sie nicht?«, schaltete sich Doris ein.
»Irgendwie schon, aber irgendwie stimmt es ja auch wieder, oder?«
»Nun ja, wenn der Überfall erst gar nicht stattgefunden hätte, wäre es zu dieser ›Rettungstat‹ überhaupt nicht erst gekommen.«
»Hm. Aber was habe ich denn davon, wenn ich ihn jetzt anschwärze und der andere dafür ungeschoren davonkommt?«
»Das ist Ihre Entscheidung«, gab Sabine zu bedenken, »aber Sie müssen sich damit wohl fühlen, damit auch in ein paar Monaten noch klarkommen können. Diese Entscheidung können wir Ihnen nicht abnehmen. Ich versichere Ihnen jedoch eines: Wenn Sie sich in irgendeiner Form zu einer Aussage zugunsten des Jüngeren genötigt
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