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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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Würstchenbude danebenstellen.« Vosskamp lachte leise auf.
    Xaver trat von einem Bein auf das andere. Er holte Luft und begann hastig zu sprechen, er hatte Mühe, keine Silben auszulassen. »Weil der Teufelsberg nicht echt ist, gibt es hier aber keine natürlichen Quellen. Die Quelle, die ich gefunden habe, ist also ein Hinweis darauf, dass sich irgendwo im Berg das Wasser staut. Und das wiederum zieht die Gefahr einer Bodenverflüssigung nach sich. Ich habe das nachgeprüft.«
    »Das klingt ja gefährlich, Herr Kollege«, bemerkte Vosskamp. »Das müssen Sie mir näher erläutern.«
    »Natürlich«, sagte Xaver. »Nachdem ich gestern die Quelle gefunden hatte, war ich in der Medienlounge und habe mich ins Earth-Watch eingeloggt; das ist ein Forschungsprojekt an meinem Institut, zum Monitoring von Naturgefahren. Wir arbeiten mit der ESA und dem DLR zusammen. Wir haben Zugriff auf die TerraSAR-X- und Envisat-Daten, und wir können die Radardaten auswerten. Die Software haben wir übrigens selbst entwickelt. Die DGM können wir weitgehend automatisch ableiten, und über die differenzielle Radarinterferometrie lässt sich sogar feststellen, ob sich das Gebiet zwischen zwei Aufnahmen bewegt hat. Im Millimeterbereich. Eine große Sache. Die Bundeswehr arbeitet auch schon damit, mit einem eigenen Satelliten.«
    »Worum geht es?«, fragte Vosskamp und kniff die Augen zusammen.
    »DGM, digitale Geländemodelle und Deformationsmonitoring durch Radarinterferometrie. Ich habe mir den Teufelsberg via Satellit angesehen. Anhand der multitemporalen Daten konnte ich an einer Stelle eine Veränderung feststellen. Direkt am Baukran. Da ist der Untergrund nicht stabil. Ich habe da also ein Loch gegraben und eine Bodenprobe genommen. Sie wissen, der Trümmerberg hat viele Schichten, Steine, Ziegelstaub, Sondermüll, Flugasche, Altöl. Und Lehm. Mit dem Lehm haben die wohl an einigen Stellen den Müll abgedichtet. Ich konnte das alles riechen. Und über dem Lehm staut sich jetzt das Wasser. Dann fließt es durch Gravitation nach unten und tritt als temporäre Quelle aus dem Berg. Ja, und wenn genug Wasser da ist und die Reibung genügend abgenommen hat, kommt es irgendwann zur Hangrutschung.«
    Vosskamp strich sich über das Kinn. »Manchmal wünsche ich mir so eine, wie sagten Sie, Radarinterferometrie für meine Patienten. Dann könnte ich genau berechnen, was in ihnen vorgeht. Aber diese Methoden haben wir Psychiater leider nicht. Wir können immer nur Schätzungen vornehmen. Eigentlich spekulieren wir bloß. Wirklich, ich beneide die Naturwissenschaftler.« Er wies auf die Sitzgruppe. »Wollen wir uns nicht setzen? Sie wirken auf mich sehr fahrig, sehr aufgeregt. Lassen Sie uns alles etwas ruhiger bereden.« Er ließ sich in einen tiefen schwarzen Ledersessel sinken.
    Xaver zögerte, bevor er sich auf das Sofa gegenüber setzte. Er sah seine Worte am Horizont herumgaloppieren, Herden aus Worten, und zwischen den Herden stolperten Vosskamps Antworten herum.
    »Leider fehlen mir die hydrologischen und geologischen Eingangsdaten, mit denen ich die Hangbewegungen vergleichen kann«, nahm Xaver den Faden wieder auf. »Darum lässt sich der Einfluss des Niederschlages bei Tauwetter nicht genau vorhersagen. Es könnte jeden Tag zur Hangrutschung kommen. Zum Glück gibt es in Berlin keine Erdbeben. So eine Bodenverflüssigung kann auch durch externe Energiezufuhr entstehen.«
    Vosskamp schwieg eine Weile und blickte auf Xavers bebende Knie.
    »Sie überfordern mich, lieber Kollege Walpersdorf. Bundeswehr, Satelliten, Erdbeben, ich komme bei diesem Gedankenrasen nicht mehr mit. Aber ich ahne, dass Sie in diesem Berg, in diesem apokalyptischen Szenario, sich selbst sehen. Auch Sie sind zurzeit etwas instabil, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten.«
    »Nein, nein«, erwiderte Xaver, »Sie haben mich nicht verstanden. Der Berg ist instabil, nicht ich.«
    »In einer akuten manischen Episode fehlt oft die Krankheitseinsicht«, sagte Vosskamp sanft. »Sie müssen mir einfach vertrauen. Erlauben Sie mir, meinen Job zu machen und Ihnen zu helfen? Haben Sie denn eine Idee, was Ihnen guttun könnte?«
    Xaver antwortete nicht. Wenn alle Farben zusammen Weiß ergaben, dachte er, dann ergaben alle Worte zusammen Schweigen, dann müsste Vosskamp ihn, wenn er schwieg, verstehen.
    »Sie haben so viele Antworten«, sagte Vosskamp, »nur darauf keine. Ich habe mir Ihre Akte aus München schicken lassen, aus dem Isar-Amper-Klinikum Haar. Da waren Sie vor

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