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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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Privatpatienten waren einige von der B mit dabei, die wilde Kapusta und Luried, ein Dicker, der ständig mit seiner Hand sprach, ein Mann, der nur Trippelschritte machte, und eine Frau mit einer breiten Narbe auf der Stirn. Außerdem drei Pfleger. Falko ließ sich neben Lotti nieder. In der Sitzreihe vor ihr saßen Friedrich und die wilde Kapusta.
    »Sind wir noch auf dem Schiff«, hörte sie ihn sagen.
    Der Bus fuhr die Anton-Delbrück-Straße hinunter durch den Park und passierte unten das Tor, bog in die Teufelsseechaussee ein und von dort aus in den Wald.
    »Darf ich dich mal was fragen?«, wandte sich Falko an Lotti.
    »Ja?«
    »Wartest du schon immer auf die Heimkehr deines Verlobten oder erst, seit du verrückt bist?«
    »Schon immer«, sagte Lotti. »Seit sechsundsechzig Jahren.«
    »Dass es so eine Liebe gibt, will gar nicht in meinen Kopf«, sagte Falko. »Meine Frau hat sich von mir scheiden lassen, nur weil ich meinen Job verloren habe und danach zusammengebrochen bin.«
    Er hatte ein sportliches, aber bleiches Gesicht, er wirkte wie ein Fußballspieler mit Migräne, und er sah traurig aus.
    »Das tut mir leid«, antwortete Lotti. »Aber weißt du, es ist auch mit der großen Liebe nicht so einfach.«
    »Du hättest doch jemand anderen heiraten können.«
    »Aber ich war doch schon verlobt.«
    »Und du hast dein Leben lang nicht mit einem anderen Mann …?«
    »Nein«, sagte Lotti.
    Falko fuhr sich durch die kurzen zerzausten Haare, die sich über die Geheimratsecken bogen, und zog eine hilflose Grimasse.
    »Aber die Liebe macht nicht immer glücklich«, fügte Lotti sanft hinzu. »Und wenn der geliebte Mensch fort ist, hört man auf zu atmen. Man lebt nur noch aus der Reserve. Weißt du, ich bin seit sechsundsechzig Jahren nicht mehr richtig da. Eigentlich gibt es mich gar nicht.«
    »Aber warum hast du dir das angetan?«
    »Weil ich nicht einfach sagen konnte: Oh, es war doch nicht die große Liebe, ich fange wieder von vorne an. Es ist gescheiter, jemanden zu heiraten, den man zwar lieb hat, aber nicht liebt. Dann bleibt man frei, sich zu ändern.«
    »Aber du könntest dich doch ändern und hinterher alles anders bewerten.«
    »Oh, das könnte ich schon«, sagte Lotti. »Aber dann wäre es nicht die große Liebe gewesen. Sie muss sich auch im Nachhinein bewähren.«
    »Aber das heißt doch«, sagte Falko, »dass du die große Liebe selbst erschaffst.«
    »Vielleicht.«
    Der Bus rumpelte. Sie fuhren an der großen Sandkuhle im Grunewald vorbei. Einige Schlittenfahrer versuchten ihr Glück, aber die Schneeschicht war zu dünn, und sie blieben mit den Kufen im Sand hängen.
    »Es taut«, sagte Falko.
    »Ja, der Sand ist schon wieder weich.«
    Hinter den Bäumen tauchte der große Backsteinschlot des alten Wasserwerkes Teufelssee auf, der Bus bog ab. Im Sommer war hier ein Gartencafé, und es gab Führungen durch das Wasserwerk, Workshops und Exkursionen, aber jetzt war das Gelände verwaist, nur ein paar Spaziergänger mit ihren Hunden streiften vorbei. Der Musiktherapeut, Herr Domke, war schon da, ein großer Mann mit einem langen Kopf, lockigen Haaren und feuchten Augen. Er gab allen Patienten die Hand, sein Händedruck war weich.
    »Guten Tag«, sagte er zu jedem. »Guten Tag. Guten Tag.«
    Auch seine Stimme war weich, und er zog, wenn er sprach, den Kopf zurück, sodass er ein kleines Doppelkinn bekam. Hinter ihm erkannte Lotti seine therapeutischen Kollegen aus der Cardea. Der Glatzkopf war der klinische Psychologe, die Blonde war die Ergotherapeutin, und die Frau mit dem zerknautschten Gesicht war die Tanztherapeutin.
    »Tschaka, Alpaka!«, rief Falko, als er sie sah. Sie lachte.
    Die Therapeuten halfen Domke, die Instrumente aus seinem großen schwarzen Auto zu laden: Trommeln, Rasseln, Klangschalen und einen mannshohen schwarzen Gong mit einem goldenen Kreis in der Mitte.
    »Ein SUV Audi Q7«, meinte Falko. »Der Typ scheint nicht schlecht zu verdienen.«
    Beate begann gleich, auf die Trommeln zu schlagen, und Sylvia ließ eine Ratsche über ihrem Kopf kreisen. Lotti fand sie schamlos.
    »Warum sind wir denn hier?«, fragte sie.
    »Nun«, antwortete der Musiktherapeut, »wir gehen heute in den unterirdischen Wasserspeicher. Da herrscht eine fantastische Akustik. Sie werden eine ganz neue Erfahrung machen. Vielleicht sogar eine Selbsterfahrung.«
    Er wies seine Kollegen und die Pfleger und Patienten an, ihm zu folgen, jeder griff sich ein Instrument, und im Gänsemarsch liefen ihm alle hinterher,

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