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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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ja, Wiederhören.«
    Er legte auf.
    »Entschuldigung«, sagte er.
    »Haben Sie gerade mit der Polizei telefoniert«, fragte Friedrich, »um ihn anzuzeigen?«
    Vosskamp zupfte sich an den Schläfenhaaren.
    »Wollten Sie ihn anzeigen?«, fragte Friedrich noch einmal.
    Vosskamp ließ die Hände auf den Tisch sinken. Die Schläfenhaare blieben gesträubt. Dann stand er auf, setzte sich neben Friedrich auf das Sofa und tätschelte ihm sanft den Oberschenkel. »Lieber Herr Bialla, Sie müssen keine Verbrecher mehr fangen. Sehen Sie das Metallpuzzle vor sich auf dem Tisch? Versuchen Sie doch mal, die Kordel da herauszuführen. Die Kugel mit der Kordel haben Sie schon in der Hand.«
    Friedrich schaute auf die eigene Hand, dabei zog er versehentlich an der Kordel, und das Metallpuzzle kippte ihm entgegen und schepperte auf den Glastisch. Er stellte es vorsichtig wieder auf.
    »Sie machen das sehr gut«, lobte Vosskamp.
    Friedrich wollte etwas sagen, aber in seinen Gedanken trieben weiße Segel, die die Worte verdeckten, immer dann, wenn er sie aussprechen wollte. Er begann, die Kordelschlaufe durch das Metalllabyrinth zu führen. Vosskamp sah ihm zu, hin und wieder korrigierte er die Richtung, indem er behutsam Friedrichs Hand lenkte.
    »Das ist gar nicht so einfach, was? Ich habe es erst auch nicht hingekriegt.«
    »Ich wollte über das Rasierwasser reden«, sagte Friedrich. »Wie hieß das noch mal? Ein teures französisches Rasierwasser. Irgendwas mit B. Und es passt nicht zu den anderen Kosmetika, die er benutzt. Er nimmt eine Kindercreme und ein Mittelklasseshampoo gegen Haarausfall. Und seine Zahnbürste ist abgenutzt. Verstehen Sie? Die Creme und das Shampoo und die Zahnbürste zeigen, was er ist, und das Rasierwasser zeigt, was er vorgibt zu sein.«
    Vosskamp sah ihn nachdenklich an. »Wer weiß, wenn ich eines Tages dement werden sollte, werde ich wohl überall Patienten sehen, so wie Sie überall Verbrecher. Wollen wir nicht das Puzzle weitermachen?« Er führte wieder Friedrichs Hand. »Diese Stelle ist kniffelig, da muss man die Schlaufe um das ganze Gerüst ziehen. Lassen Sie mich mal.« Er fummelte mit der Kordel herum. »Das gibt es doch gar nicht, das müsste doch klappen … Nee, es ging anders. Zu blöd.«
    »Und der Mann ist gut«, setzte Friedrich wieder an. »Überlegen Sie doch mal.«
    Aber er überlegte jetzt selbst, er kannte die Worte, er fühlte sie, gleichzeitig waren sie fort. Er murmelte vor sich hin: »B, B … so ähnlich wie Ariel, aber mit B. Bariel. Bayern. Beil. Balmain! Das Rasierwasser heißt Balmain! Ich weiß es wieder! Operation Teufelsberg!«
    Vosskamp lehnte sich im Sofa zurück, und weil er größer und schwerer war als Friedrich, drückte sich die Sitzfläche hinten ein und wölbte sich vorne auf, und Friedrich, der auf der vorderen Kante saß, wurde angehoben.
    »Ich spüre die ganze Zeit den Impuls, Sie in die Realität zurückzuholen«, sagte Vosskamp. »Warum eigentlich? Warum mache ich mich zum Handlanger der Realität? Vielleicht weil die Realität die brutalste Diktatur der Welt ist, Widerstand zwecklos.« Er beugte sich wieder vor und versuchte, die Kordel durch das Labyrinth zu ziehen, sie verknotete sich. Vosskamp schnalzte mit der Zunge, schließlich ließ er die Holzkugel fallen. »Ich gebe auf«, seufzte er.
    »Hören Sie doch mal zu!«, rief Friedrich. »Seine Eltern handeln mit Steckelementen für Fertighäuser. Das denkt sich keiner aus, der so ein Rasierwasser hat, der sich gegen seine dünnen Haare wehrt. So einer würde was Besseres erfinden, der würde sich als Adeliger ausgeben oder als Sohn von Ölmagnaten. Macht er aber nicht, und wissen Sie, warum? Damit er besser lügen kann. Er lügt mit der Wahrheit. Deshalb sind alle Psychiater auf ihn reingefallen, auch Sie, Herr Professor.«
    Friedrich kamen die vielen Betrüger in den Sinn, die er im Laufe seines Lebens verhört hatte. Die meisten logen nicht, um sich zu bereichern; jedenfalls nicht nur. Sie logen, weil sie nicht sie selbst sein wollten. Das Geld, das sie am Ende abräumten, war nur der Trost dafür, dass die schöne Lüge nicht dauern durfte. Zugleich war ihre wahre Identität der doppelte Boden, der sie trug.
    »Aber dieser Mann hat sich verloren«, fuhr Friedrich fort. »Indem er mit der Wahrheit lügt, zerstört er sich selbst. Ihm bleibt nichts, auf das er sich zurückziehen kann. Wo vorher der doppelte Boden war, ist nun der doppelte Abgrund.«
    Es klopfte an der Tür, und der blonde Pfleger

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