Teufelsflut
die Zeitung so weit sinken, dass er über den Rand spähen und die kurze Unterhaltung beobachten konnte. Danach hob er die Zeitung wieder in ihre alte Position. Der Oberkellner kam quer durch die Halle auf Tweed zu und sprach ihn mit einem freundlichen Lächeln an.
»Hallo, Mr. Tweed. Wie geht es Ihnen? Sie waren schon länger nicht mehr hier.«
»Könnten Sie mir bitte einen Gefallen tun? Sehen Sie die schwarzhaarige Dame, die dort drüben allein an dem Tisch sitzt?«
»Ja, Sir. Ich glaube nicht, dass sie schon einmal hier war.«
»Das ist für Sie«, sagte Tweed und gab dem Kellner einen Geldschein.
»Würden Sie bitte zu der Dame gehen und ihr ganz diskret mitteilen, dass ich hier draußen auf sie warte? Aber flüstern Sie, damit niemand anders es hören kann. Und bringen Sie der Dame gleich ihre Rechnung.«
»Sie hat bereits bezahlt, Sir.«
»Gut.«
»Ich werde es gleich erledigen, Sir.«
Tweed handelte rasch. Zuerst winkte er den Chefportier herbei, der gerade in die Halle gekommen war.
»John, ich brauche dringend ein Taxi. Sofort. Wenn Sie jemand fragt, wo ich hingefahren bin, dann sagen Sie, Sie wissen es nicht.«
»Selbst wenn ich es wüsste, würde ich es niemandem sagen, Sir. Das Taxi kommt gleich.«
Tweed blickte hinüber zu Paula, die alles mitbekommen hatte. Er bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, dass sie nicht mitkommen solle. Die schwarzhaarige Frau schlüpfte in einen Pelzmantel und kam schnellen Schrittes hinaus in die Halle. Tweed fasste sie sanft am Arm.
»Sind Sie Serena?«, fragte er leise.
»Ja. Serena Cavendish. Und Sie müssen Tweed sein…«
»Entschuldigen Sie bitte die Eile, aber wir müssen schleunigst von hier verschwinden. Wir werden woanders Tee trinken. Steigen Sie in das Taxi.«
Tweed sah, dass Newmans Mercedes hinter dem Taxi stand. Er drehte sich um und blickte zum Hoteleingang. Hinter John, dem Chefportier, war niemand zu sehen. Er lief zu Newman, der das Fenster herunterkurbelte.
»Eleganter Mann. Dunkler Anzug, hellblondes Haar…«, rief er Newman zu.
Dann rannte er zurück zu dem Taxi, in dem bereits Serena Cavendish Platz genommen hatte.
»Fortnum’s«, sagte er zu dem Fahrer. »Wir haben es eilig.«
»Wer hat es heutzutage nicht eilig?«, gab der Taxifahrer grinsend zurück.
Er fuhr sofort los. Durch das Rückfenster sah Tweed, wie Nield aus dem Mercedes stieg und Paula seinen Platz auf dem Rücksitz neben Butler einnahm. Was ging da vor? Dann sah er, wie der gelb-blonde Mann mit energischen Schritten aus dem Hotel stürmte und ein Taxi herbeiwinkte.
Direkt neben ihm stand Pete Nield – schlank, gut gekleidet und mit einem exakt getrimmten Oberlippenbart – und hob ebenfalls die Hand nach einem Taxi. Er gab John zwei Einpfundmünzen, als das Taxi am Straßenrand anhielt.
»Das ist mein Taxi«, fauchte der Gelbblonde. »Ich habe es zuerst gerufen.« Seine Stimme hatte einen überkandidelten Oberklassen-Ton.
»Tut mir Leid, alter Freund«, erwiderte Nield, der schon die Hand an der Taxitür hatte. »Aber ich war vor Ihnen.«
»Das waren Sie nicht, verdammt noch mal!«
»Sie finden bestimmt ein anderes Taxi«, sagte Nield liebenswürdig und stieg ein.
»Wohin soll’s gehen, Sir?«, fragte der Taxifahrer, nachdem Nield die Tür zugeschlagen hatte.
»Folgen Sie dem Mercedes da vorn«, flüsterte Nield. »Hier ist ein Fünfer für Sie.«
Newman folgte bereits dem Taxi, in dem Tweed und Serena saßen.
Butler zeigte Paula eine kleine Kamera, die auf seinem Schoß lag. Paula runzelte die Stirn.
»Ich habe ein Bild von Mr. Gelbhaar gemacht«, sagte Butler. »Zumindest hoffe ich, dass es etwas geworden ist. Er hat mich beim Fotografieren direkt angeschaut, und da habe ich das Bild vielleicht vor lauter Schreck verwackelt.«
Paula wunderte sich wieder einmal, wie unterschiedlich doch Butler und Nield waren, die fast immer zusammenarbeiteten. Harry Butler schien es egal zu sein, wie er gekleidet war. Er war Anfang vierzig, knapp über einssiebzig groß und untersetzt. Er trug einen schäbigen Anorak über ebenso abgewetzten Cordhosen, und seine Schuhe schienen seit Ewigkeiten nicht mehr geputzt worden zu sein. Er hatte dichtes, dunkles Haar, das immer so aussah, als müsste es dringend gekämmt werden, und ein breites Gesicht mit einer knubbeligen Nase und einem energischen Kinn.
Pete Nield hingegen achtete sehr auf sein Äußeres. Er hatte ein gut aussehendes, eher längliches Gesicht, dessen Augen so lebhaft waren wie die von Butler. Nield war
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