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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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Bitte entschuldigen Sie, Xavier. Ich bin manchmal sehr neugierig.« Sie schaute ihn an. »Wenn ich jemanden interessant finde, neige ich dazu, ihm ein Loch in den Bauch zu fragen.«
    »Macht nichts. Der alte Boudier, das ist mein Lehrmeister, der hat es bis heute nicht verwunden, dass ich der sogenannten Spitzenküche den Rücken gekehrt habe. Er hat mir immer wieder gesagt, was für ein Idiot ich sei – und dass es noch nicht zu spät für mich wäre …«
    Gabins Augen weiteten sich. »Sagten Sie gerade Boudier? Paul Boudier?«
    »Ja, ihm gehört das ›Renard Noir‹ in Châlons-en-Champagne. Dort habe ich meine Lehrjahre absolviert. Was ist mit Boudier?«
    »Ricard war bei ihm zum Essen. Am Tag, bevor er starb.«

[Menü]
    6
    Die Schallschutzmauer entlang der Autobahn von Paris in die Champagne war in wechselnden Farbtönen gestrichen und sollte dem Auge des vorbeizischenden Autofahrers auf der eintönigen Route etwas Abwechslung bieten. Zugleich sollte das Farbenspiel den Fahrer beruhigen und aggressives Verhalten verhindern. Das zumindest war die Idee irgendeines Verkehrspsychologen gewesen, der dieses Farbsystem in den Siebzigerjahren entworfen hatte. Kieffer beruhigten die ineinander übergehenden Blau-, Rot- und Grüntöne überhaupt nicht, er nahm sie kaum wahr. Sein Gehirn war vollends damit beschäftigt, die Informationen und Ereignisse der vergangenen Tage zu sortieren – und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sein Wagen die Spur hielt. Gab es eine Verbindung zwischen Ricard und ihm? Führte sie über Boudier? Und wenn ja, warum?
    Agathon Ricard hatte bei Kieffers altem Küchenchef Paul Boudier zu Abend gegessen, am Montag, dem 5. September. Valérie Gabin und ihre Redaktion hatten recherchiert, dass Ricards Besuch in Boudiers »Renard Noir« die letzte Station einer Tour durch die Champagneund die Ardennen gewesen sein musste. Ricards Ressortleiter hatte dem Tester aufgetragen, die Region im Nordosten Frankreichs zu durchkämmen, für die nächste Ausgabe des Guide.
    Kieffer war zu lange in der Gastronomie, als dass ihm die Gabin-Chefin die von Ricard abgeklapperten Stationen hätte aufzählen müssen. Da er über sieben Jahre lang in der Gegend gearbeitet hatte, waren ihm die meisten guten Restaurants der Region Champagne-Ardenne geläufig. Neben Boudiers »Schwarzem Fuchs« mit seinen zwei Sternen würde der verstorbene Kritiker das »Mirabelle« in Vitry-le-François aufgesucht haben. Ferner das auf Wild spezialisierte »Grand Cerf« bei Sedan und das abgelegene, aber hervorragende »Estoque« in Vertus.
    Kieffer schaute auf das Navigationsdisplay des Mercedes, den er gemietet hatte. Er passierte gerade Reims. Bis Châlons-en-Champagne waren es noch etwa 70 Kilometer. Kieffer fuhr viel zu schnell, raste mit fast 200 Stundenkilometern die Autoroute de l’Est entlang.
    Zu Hause hatte er einen alten Lieferwagen, und er wusste, dass er den Mietwagen nicht so schnell fahren sollte. Ihm fehlte die Übung, und er war müde. Das sagte ihm sein Kopf, doch sein Bauch riet ihm etwas anderes. Er hatte das unerklärliche Gefühl, es gebe keine Zeit zu verlieren.
    Kieffer dachte noch einmal über den gestrigen Abend nach. Nach dem Essen hatten er und Valérie Gabin eine Bar in der Nähe der Pont Neuf aufgesucht und noch zwei Flaschen Bordeaux getrunken. Die unerwartete Verbindung zu Boudier hatte sie beide gleichermaßen überrascht.
    »Hast du mit Boudier denn bereits telefoniert?«, hatte Kieffer sie gefragt. Nach der ersten Flasche Margaux hatten sie aufgehört, sich zu siezen.
    »Nein, warum auch? Ricard hat dort gegessen, sonst nichts. Ich habe bis eben nicht im Traum daran gedacht, dass der Besuch im ›Renard‹ mit seinem Tod zusammenhängt.«
    »Hatte Ricard denn bereits einen Bericht an die Redaktion geschickt, der vielleicht Aufschluss über seinen Besuch bei Boudier geben könnte?«
    »Nein, das ist nicht üblich. Die Tester absolvieren ihre Tour, machen sich Notizen oder schreiben abends im Hotel auf dem Laptop ihre Rezensionen. Ihr Ressortleiter bekommt die Texte dann einige Wochen nach dem Testessen, ich für gewöhnlich noch später, kurz vor Drucklegung.«
    »Ricards Laptop und sein Notizbuch befinden sich vermutlich in der Asservatenkammer der Luxemburger Polizei, oder?«
    Sie schaute, als ob sie fröstelte. »Ja, wahrscheinlich. Wer weiß, was da drinsteht.«
    »Wenn der Computer bei der PJ liegt, dann weißt du vermutlich gar nicht, was dein Mann in den vergangenen Wochen da draußen in der

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