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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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feucht waren. Er wischte sie an den neuen Chinos ab. Dann betrat er das Restaurant und schaute sich um. Das »Cochon« kam dem Prototyp einer Pariser Brasserie ziemlich nahe. Die Wände waren in dunklem Holz gehalten. Fenster, Trennscheiben und Lampen waren mit farbenfrohen Jugendstilmotiven verziert. Es gab eine offene Fischtheke, auf der Langusten und fines de claire angepriesen wurden und viele kleine hölzerne Tische, an denen die patrons ein schnelles Mahl einnehmen konnten.
    Als Kieffer dem Maître d’ erklärte, er sei mit Madame Gabin verabredet, bemerkte er, wie sich die Haltung des Mannes merklich straffte. Sofort führte dieser ihn zu einem Tisch im Außenbereich des Restaurants, der ein Stück weit von den anderen Plätzen entfernt stand. »Dies ist Madame Gabins Tisch. Sie ist noch nicht eingetroffen. Einen Aperitif für Monsieur?«
    Kieffer schüttelte den Kopf, bestellte eine Flasche Wasser und sah sich um. Das »Cochon« füllte sich allmählich. Vor dem Eingang hielten Taxis und dunkle Oberklasse-Limousinen. Er versuchte, durch die Scheiben einen Blick auf die Passagiere im Wageninneren zu erhaschen, als er plötzlich rechts von sich ein mechanisches Klacken hörte.
    »Monsieur Kieffer? Ich muss mich entschuldigen, ich bin etwas spät dran.«
    Als er sich umblickte, sah er eine junge Frau, die gerade von einem sehr teuer aussehenden Mountainbike abstieg. Kieffer erhob sich von seinem Stuhl und verneigte sich leicht. »Es ist mir eine Ehre, Madame.« Valérie Gabin nahm seine ausgestreckte Hand und musterte ihn belustigt. Dabei schaute sie von oben auf ihn herab –sie war über 1,80 Meter groß und überragte ihn deutlich.
    Nachdem sie sich gesetzt und Getränke bestellt hatten, betrachtete Kieffer die mächtigste Restaurantkritikerin der Welt. Valérie Gabin trug einen vermutlich maßgefertigten dunkelblauen Blazer und ein weißes Stretchtop. Diese Kleidungsstücke schienen ihre einzige Konzession an traditionelle Pariser Eleganz zu sein. Ihre langen Beine steckten in einer Bluejeans. Dazu trug sie weiße Chucks. Teuren Schmuck konnte Kieffer nicht ausmachen. Dabei hatte er vorab mit sich selber gewettet, dass die Gabin-Erbin Perlen tragen würde. Stattdessen baumelte um ihren Hals ein Lederband, an dem ein kleines hölzernes Surfbrett hing. Valérie Gabin entnahm ihrem Rucksack eine Packung Gauloises und zündete sich eine Zigarette an. »Danke, dass es so schnell geklappt hat, Monsieur Kieffer. Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht herbeizitiert.«
    Kieffer machte eine abwehrende Handbewegung und fischte eine Ducal aus seiner Sakkotasche. »Ach nein, ich komme immer gerne nach Paris. Zudem ist mein Restaurant zurzeit ohnehin geschlossen. Wegen der Spurensicherung.«
    Sie senkte die Augen und drehte ihre Zigarette zwischen den Fingern hin und her. »Agathon … er war einer unserer Besten. Ein Trüffelschwein, ein Jäger, immer auf der Suche nach kulinarischen Entdeckungen. Mir ist allerdings noch nicht ganz klar, was genau er in Ihrem Restaurant suchte. Ich habe mir sagen lassen, dass … ›Les Deux Eglises‹, ja?«
    »Korrekt.«
    »Also, dass Ihr Restaurant eine sehr gute Adresse fürLuxemburger Spezialitäten sei, und … bestimmt ist es hervorragend, verstehen Sie mich nicht falsch, aber …«
    »… wir sind kein Sterneaspirant, das stimmt«, kam Kieffer ihr zu Hilfe. »Wir machen keine haute cuisine. Ich habe mir deshalb schon die gleiche Frage gestellt wie Sie, Madame Gabin …«
    »… können Sie mich Valérie nennen? Ich komme mir sonst so alt vor.«
    »Also Valérie. Xavier, wenn Sie möchten. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Wir hatten noch nie einen Stern, und ich habe auch keine Ambitionen in diese Richtung. Ich weiß nicht, warum Ihr Mann in meinem Restaurant war. Haben Sie ihn denn nicht zu mir nach Luxemburg geschickt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »So läuft das nicht. Unsere Tester arbeiten sehr selbstständig. Sie haben natürlich eine Liste von sterneverdächtigen Restaurants, die sie in bestimmten Abständen abklappern müssen. Aber Ihr Lokal war, wie gesagt, nicht darunter.« Sie versuchte ein Lächeln.
    »Ich verstehe. Also, ich weiß nicht, wie er auf mich gekommen ist. Die Polizei hat in Monsieur Ricards Wagen eine Visitenkarte des ›Eglises‹ gefunden, und es ist mir schleierhaft, wo er die herhatte. Ich weiß auch nicht, was passiert ist.«
    Valérie Gabin schaute ihm ein paar Sekunden lang in die Augen, als suche sie dort nach etwas. Dann sagte sie leise: »Sie haben

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