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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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wie Hefekuchen.«
    »Okay, Klaus, dann habe ich jetzt ungefähr verstanden, wie das Zeug funktioniert und dass es nicht ganz unbedenklich ist. Aber was hat das mit meiner Frucht zu tun? Ist da etwa auch Natriumglutamat drin?«
    »Nein, das nicht. Aber die Frucht enthält sehr viele interessante Salze verschiedener Aminosäuren. Es gibt,ohne das jetzt im Detail auszuführen, ja noch eine Menge anderer Geschmacksverstärker mit ähnlicher Wirkungsweise. Die Industrie benutzt zum Beispiel gerne Aspartat für eine starke Süße-Empfindung oder Guanylat fürs Rundum-glücklich-Geschmäckle. In deiner Frucht sind ein Dutzend solcher Salze drin, mindestens. Zudem enthält sie weitere chemische Verbindungen, die ich in dieser Kombination noch in keiner anderen natürlich vorkommenden Pflanze gesehen habe. Meine Arbeitshypothese wäre deshalb, dass deine Supermango ähnlich wirkt wie Natriumglutamat und andere Aminosäuren-Neurotransmitter. Nur stärker.«
    »Wie viel stärker?«
    »Ich habe keine Ahnung, Xavier. Das herauszufinden würde langwierige Testreihen erfordern. Aber den Mengen pro Gramm Frucht nach zu urteilen, die unsere ersten Samplings zutage gefördert haben, ist im Vergleich zu Natriumglutamat eine hundertfach stärkere Wirkung noch eine äußerst konservative Annahme.«
    Kieffer sagte einen Moment lang gar nichts. Dann fragte er: »Wenn die Konzentration viel höher ist, müsste es dann nicht auch viel stärkere Nebenwirkungen geben als bei Natriumglutamat? Ich habe kein Unwohlsein verspürt. Im Gegenteil. Und ich habe ja einiges davon vertilgt.«
    Scheuerle lachte. Er klang gequält. »Nicht jeder kriegt CRS , manche merken gar nichts, andere bekommen mörderische Migräne oder Durchfall. Ich würde dennoch dringend von weiteren Selbstversuchen abraten.«
    »Wie schade. Ich habe noch ein bisschen was davon im Eisschrank und hatte über canard à la bigarade nachgedacht. Da kämen die Röststoffe optimal zur Geltung.«
    »Xavier, das ist nicht witzig. Ich meine es ernst. Rühr das Zeug nicht mehr an, hörst du? Nur weil du die ersten Male keine körperlichen Nebenwirkungen verspürt hast, muss das nicht heißen, dass sich nicht irgendwann welche einstellen. Vor allem bei fortwährendem Konsum. Außerdem …«, Scheuerle zögerte.
    »Außerdem was? Gibt es weitere Nebenwirkungen?«
    »Das ist alles nicht so gut untersucht, und es werden zu geschmacksverstärkenden Neurotransmittern wie Glutamat keine neuen, großen Studien mehr durchgeführt. Das Thema gilt als ausgeforscht, und von der Industrie bekommst du natürlich aus nachvollziehbaren Gründen für Recherchen in diese Richtung keinen Cent Drittmittel. Also hängt sich niemand rein. Aber es gibt ein paar Hinweise, dass Natriumglutamat sogar psychische Erkrankungen auslösen kann.«
    »Wie bitte?«
    »Na ja, das Resultat eines Glutamin-Overloads bezeichnen wir als Exzitotoxizität – das bedeutet die Zerstörung von Neuronen durch eine anhaltende Überaktivität der Synapsen. Die bläst es, salopp ausgedrückt, einfach weg, die hohe Neurotransmitter-Dosierung, das ist too much, verstehst du? Bei jeder Fast-Food-Orgie, bei jeder chinesischen Tütensuppe gehen ein paar deiner Neuronen flöten.
    Und wer weiß schon, was das auf lange Sicht mit deinem Verstand macht. Über komplexe neurochemische Wechselwirkungen im Gehirn weiß man noch verhältnismäßig wenig. Es gibt ein paar Untersuchungen, die nahelegen, dass in einigen wenigen Fällen schwere Depressionen die Folge sein könnten, Wahnvorstellungen oder auch schizoide Schübe. Das ist in der scientific community natürlich eine Minderheitsmeinung und auch durch zu wenige Daten abgesichert.«
    »Du willst mir also sagen, meine Frucht macht mich vielleicht verrückt.«
    »Ich habe gerade über stinknormales Natriumglutamat geredet, Xavier. Da ist die Wahrscheinlichkeit psychischer Auswirkungen äußerst gering. Bezüglich deiner Mango möchte ich hingegen lieber keine Prognose wagen.«

[Menü]
    19
    Am darauf folgenden Sonntagmorgen war Kieffer bereits kurz vor sechs wach. Er räumte seine Wohnung auf und verbrachte dann die für ihn ungewöhnlich lange Zeitspanne von 20 Minuten damit, für das Frühstück mit der Gabin-Chefin aus seinem neuen Fundus von Hemden, Hosen und Jacketts die passende Garderobe auszuwählen. Er probierte zunächst einen der dunklen Anzüge. Dann dachte er an Valérie, an ihre zerfetzten Jeans und ihre amerikanischen Segeltuchschuhe – und hängte ihn wieder weg. Er entschied

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