Teufelsherz (German Edition)
Linie zu modellieren und falsche Wimpern anzukleben.
Zugegeben – die Prinzessinnen dieser Schule hatten sie nie sonderlich gestört, und sie war auch immer gut mit ihnen ausgekommen.
Bis zum Mai dieses Jahres.
Seit jenem schrecklichen Unfall war ihre Abneigung gegenüber dieser Schülergruppe stetig gewachsen. Eigentlich nicht nur gegen diese. Ihr gingen Menschen generell auf die Nerven, und die Lebenskrisen, die durch einen abgebrochenen Fingernagel ausgelöst wurden, brachten sie immer noch regelmäßig auf die Palme.
Auch Will hatte das Geschehene verändert. Er hatte den Sinn seines Lebens plötzlich nicht mehr im Abschleppen hübscher Mädchen und dem Gewinnen von Basketballspielen gesehen. Gemeinsam waren sie in die gesellschaftliche Versenkung der St. Bernard abgetaucht, und sie konnte nicht behaupten, dass sie das jemals bereut hätte.
***
Im Laufschritt bahnte sie sich einen Weg zwischen ausparkenden Autos und hektisch herumirrenden Schülern hindurch. Die Kapuze der Regenjacke wie immer tief ins Gesicht gezogen, und britische Rockmusik aus dem iPod in den Ohren, versuchte sie den Überblick zu behalten.
Wenn sie den Bus verpasste, müsste sie eine Stunde auf den nächsten warten. Bei diesem Regen konnte sie sich wahrlich Angenehmeres vorstellen, zumal Will wohl noch deutlich länger bei seinem Coach sein würde.
Vor ihr hob sich die Krone der Stadt – die Berggipfel – in all ihrer majestätischen Kraft gegen das graue Licht ab und wachte wie jeden Tag über die Bewohner. Vermutlich wurde es Zeit, die Kronberge wieder einmal zu zeichnen, nachdem sie in den letzten Tagen ungefähr eine Million Gänseblümchen in ihren Block gekritzelt hatte.
Und auch den Fremden. Sie wusste nicht, wieso, aber sie hatte sein Bild unbedingt festhalten müssen. Hatte versucht sich an jedes kleinste Detail seines Gesichts zu erinnern, nachdem sie ihn zunächst nur in der dunklen Kleidung skizziert hatte, die ihn in Verbindung mit seiner Körperhaltung irgendwie lässig hatte wirken lassen. So als sei ihm alles egal. Sie wünschte, sie könnte diese unglaublich grünen Augen irgendwie einfangen und auf Papier bringen. Sie wünschte, sie würde ihn noch einmal sehen, um sich jede Einzelheit von ihm genau einzuprägen. Sie wünschte, sie wüsste, wer er war. Na ja, wohl kaum real. Die Vorstellung war einfach lächerlich.
Und es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie von irgendwelchen fremden Personen träumte, auch nicht von Jungs. Sie war siebzehn Jahre alt, und sie hatte schon öfter gedacht, ihrem Traummann im Schlaf begegnet zu sein. Nur mit dem Unterschied, dass sie noch nie ein klares Gesicht gesehen hatte. Wenn sie aufgewacht war, hatte sie sich meist nicht einmal an die Haarfarbe erinnern können, geschweige denn an den Klang der Stimme. Ganz anders bei ihm . Von ihm wusste sie noch alles. Selbst das kleine Grübchen am Kinn war ihr nicht entgangen, so aufgeregt sie auch gewesen war. Irgendetwas an ihm war besonders, unterschied ihn von einem Traum.
Auf einmal übertönte Reifenquietschen die schweren E-Gitarren-Riffs, die aus ihren Kopfhörern schallten. Dann ein schrilles Kreischen, ein lauter Knall von aufeinanderprallendem Blech, noch schrilleres Kreischen.
Emily blickte wie aus einer Trance erwacht auf, ihr Herzschlag hämmerte mit dem Bass um die Wette, pochte im Hals und rauschte durch die Ohren.
Wenige Meter neben ihr waren zwei Autos ineinandergekracht. Rauch stieg aus einer der Motorhauben auf. Mechanisch zog sie die Kopfhörer aus den Ohren, und vielstimmiges Geschrei schlug ihr entgegen.
»Emily! Um Gottes willen! Bist du okay?«
Sie wurde am Arm gepackt und herumgedreht. Finger tasteten über ihr Gesicht, doch sie konnte den Blick nicht von den Autos abwenden, aus denen die Fahrer gerade herauskrabbelten. Aus dem einen Wagen stieg Lisa, ein Mädchen aus ihrer Naturkundeklasse, aus dem anderen Paul, der eine Klasse über ihr war. Auch um die beiden sammelten sich sofort unzählige helfende und vor allem neugierige Schüler.
Angestrengt versuchte sie anhand der Position der Blechhaufen zu verstehen, was passiert war. Lisa war anscheinend rückwärts aus der Parklücke gefahren, und Paul war ihr in die Seite gedonnert. Beiden schien es gut zu gehen, denn ihr Geschrei überstimmte selbst das aufgeregte Geschnatter der Schaulustigen.
»Sie ist einfach rausgefahren! Hat nicht mal in den Rückspiegel geguckt.«
»Du warst viel zu schnell!«
»Hey, beruhigt euch erst mal.« Der Direktor
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