Teufelsherz (German Edition)
war also auch schon da.
»Es ist wahr, ich habe es genau gesehen. Paul hatte einen Affenzahn drauf.«
»Da hörst du es.«
»Wie blöd muss man sein, um blind aus einer Lücke zu fahren, als gehöre einem der ganze Parkplatz?«
»Ich wusste ja nicht, dass ein Irrer unterwegs ist!«
»Oh Emily.« Es war Isabelle, die sie diesmal zu sich herumdrehte und überraschenderweise in den Arm nahm. Sie hatten zusammen Spanisch und verstanden sich ganz gut, solange es um Oberflächliches ging. »Nicht auszudenken, was geschehen wäre.«
»Was?« Sie versuchte sich loszumachen, immer noch zu keinem klaren Gedanken fähig. »Wovon sprichst du?«
Isabelle deutete zu den Autos. »Na Paul. Er ist da langgefahren, als wäre das hier eine Rennstrecke, und du … Wäre Lisa nicht genau in dem Moment herausgefahren, wärst du …« Sie zuckte mit den Schultern. »Nun ja. Das wäre nicht sehr schön ausgegangen.«
Fassungslos starrte Emily sie an. Sie blickte zurück zu den Autos, maß mit den Augen den Weg, den Pauls Auto genommen hätte, wäre Lisa ihm nicht in die Quere gekommen, sah an sich hinunter, auf die Stelle, an der sie stand.
Oh mein Gott! Ein unkontrollierbares Zittern befiel sie, ihre Beine drohten einzuknicken. Das, was von Lisas Wagen übrig geblieben war, verschwamm vor ihren Augen.
»Emily?« Die Stimme klang weit entfernt, als rufe sie jemand von einem Berg, während sie im Tal stand. »Emily! Kannst du mich hören? Ey, du bist ja ganz weiß. Hat mal jemand etwas Wa… Oh, verdammt!«
***
»Versprechen Sie mir, den restlichen Tag im Bett zu bleiben?«
»Ja, Dr. Morris.«
»Ich will Sie hier so schnell nicht wieder sehen.«
»Werden Sie nicht, Dr. Morris.«
»Emily?!«
Oh nein. Die Stimme war ihr nur allzu vertraut. »Es geht mir gut, Ma.«
»Oh, was machst du nur für Sachen?«
»Sie hat nur einen kleinen Schock, Mrs Norvell. Es geht ihr schon wieder viel besser, nicht wahr, Emily?«
»Mir geht’s ausgezeichnet.« Sie rang sich ein Lächeln ab und rutschte von der Liege.
Das Aufheben, das wegen ihrem kleinen Aussetzer gemacht wurde, war wirklich maßlos übertrieben. Sie war noch nicht einmal richtig am Boden angekommen, als sie schon wieder zu sich gekommen war. Sie hatte schon weit spektakulärere Ohnmachtsanfälle gesehen oder zum Teil auch selbst erlebt. Diesmal war sie einfach nur langsam zu Boden geglitten, wie in Zeitlupe. Alles halb so schlimm.
»Kann sie denn morgen zur Schule gehen, Dr. Morris?«
»Es gibt keinen Grund, der dagegenspricht. Wieso nicht? Wenn sie sich fit genug fühlt.«
»Ich bin fit.« Es war so lächerlich, dass sie gleich ins Krankenhaus gebracht worden war. Zur Schulschwester hätte auch gereicht, aber wegen ihrer Kopfverletzung und dem kleinen Atemstillstand aus der Vorwoche waren alle sofort in heillose Panik verfallen.
»Ruhen Sie sich heute aus, Ms Norvell, und gehen Sie es langsam an.«
»Mach ich.«
Und dieses Versprechen hielt sie auch.
Nach einer ewig langen heißen Dusche kuschelte sie sich mit blau karierten Pyjamahosen und T-Shirt ins Bett, ließ sich von ihrer Mutter Pfefferminztee und belegte Brote bringen und zeichnete die Schaukel aus ihrem Traum. Zwischendurch versuchte sie den besorgten Will am Telefon zu beruhigen und ihm zu versichern, dass er nicht extra vorbeikommen musste, da sie ohnehin schlafen wollte, was sie schließlich auch – früher als gewöhnlich – tat. Ihre Augen fielen zu, das Handy rutschte von ihren Knien, und der Bleistift glitt aus ihrer Hand.
Und dann stand sie plötzlich auf der Wiese. Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder, und ihr entfuhr ein leiser Schrei der Entzückung. Sie war wieder hier!
Die Tatsache, dass sie barfuß war und nur einen Pyjama trug, nahm sie gelassen zur Kenntnis. Daran konnte sie im Moment keinen Gedanken verschwenden.
Mit großen Augen sah sie sich um. Es war alles genauso, wie sie es in Erinnerung hatte. Das weiß gepunktete, beinahe schon unwirklich scheinende Grün und der etwas verkrüppelt aussehende Baum. War das eigentlich ein Apfelbaum? Sie war sich nicht sicher. Auf jeden Fall schwang die Schaukel genauso an einem der wild in die verschiedensten Richtungen wachsenden Äste, wie beim letzten Mal.
Und auf einem dieser Äste saß der dunkelhaarige Fremde und ließ die Beine in der Luft baumeln.
Freude, Verwirrung, aber auch Zorn überfluteten sie, sodass sie kein Wort herausbrachte. Sie hatte nicht vergessen, wie er mit ihr umgesprungen war, und doch war er ihr nicht mehr aus
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