Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)
stumm und vermochte es nicht, sein Wissen zu vermitteln.
Immer wenn ich an einem Ort stand wie diesem, wurden solche Gedanken in mir wach. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dem Geheimnis der Goriten dicht auf den Fersen zu sein, wenn ich auch immer wieder die Spur verlor. Ich wußte, eines Tages würde mir das Glück hold sein. War es nicht reiner Hohn, daß ich ausgerechnet in dieser Situation an das mögliche Glück einer möglichen Zukunft dachte? Wie heißt es: Wenn ein Mensch keine Hoffnungen mehr hat, ist er tot!
Dabei war diese meine Hoffnung nicht begründet mit der Tatsache, eines Tages wiedergeboren zu werden, denn dann würde ich mich wohl nicht mehr an diese Dinge hier erinnern. Und es würden viele Jahre vergehen, bis mein Wissen und meine Erfahrung als dieser neue Mensch groß genug sein würden, um mich wieder als der handeln zu lassen, der ich immer schon gewesen war seit meinem Leben als Gorite und für alle Ewigkeit bleiben würde: ein Teufelsjäger!
Wir wurden zum Opferstein geführt und mußten dort stehenbleiben. Wir konnten uns bewegen, waren nicht gefesselt, doch war unsere Bewegungsfreiheit stark beeinträchtigt. Jeder hatte nur etwa ein Quadratyard für sich. Dann stieß er gegen ein unsichtbares Hindernis. Um uns herum entstand rege Aktivität. Immer mehr der Teufelsdiener trafen ein. Manchen glaubte ich zu erkennen. Es waren Prominente, Menschen, die im öffentlichen Leben standen und denen niemand zutraute, was sie hier praktizierten. Die Halle füllte sich zusehends. Als der Zustrom schließlich verebbte, erschien der Untote. Er sprang auf den Opferstein. Breitbeinig stand er da oben. Uns gönnte er einen spöttischen Blick.
Ich inspizierte meine Armbanduhr. Zu meinem Bedauern mußte ich feststellen, daß sie nicht mehr ging. Hier unten schien die Zeit stillzustehen. Die Zeitmesser der Menschen versagten. Hier galten andere Gesetze als an der Oberfläche.
Edgar Harris wandte sich wieder an seine Frau. „Du bist noch immer ungebrochen. Fast bewundere ich dich, aber nur fast. Ich spüre, daß dies alles nur Fassade ist. In deinem Innern sieht es anders aus.“
„Dann irrst du, Liebling!“ Bei der Anrede Liebling zuckte der Dämon zusammen. „Ja, du hast richtig gehört. Ich liebe dich noch immer, doch ist dies nicht die Liebe einer Frau zu ihrem Mann, sondern die eines Menschen, die er, begleitet von unendlichem Mitleid, einer bedauernswerten Kreatur gegenüber empfindet.“
Mir stiegen die Haare zu Berg. Warum mußte May dieses Wesen immerzu provozieren? Sollte alles noch schlimmer werden? Was bezweckte sie damit? Es war mir klar, daß es ohnehin keine Steigerung der Qualen geben konnte, die man uns zugedacht hatte. Trotzdem gab es da die vage Hoffnung, es würde alles besser, wenn wir uns willig zeigten. Eine fatale Einstellung, die May nicht teilte und deren Sinnlosigkeit mir in diesen Minuten nicht zu Bewußtsein kam.
Der Untote lachte über die Worte der Frau, doch klang dieses Lachen ein wenig gekünstelt. Er hob die Stimme und wandte sich an seine treuen Diener. „Hört!“ Alle Geräusche in der Halle verstummten schlagartig. Nicht einmal das Knistern der brennenden Fackeln konnte ich vernehmen. Aller Blicke wandten sich in die Richtung des Wiedergängers. „Viel später erst wollte ich mit den erforderlichen Riten beginnen“, rief der Dämon. „Ich habe mich eines Besseren besonnen. Beginnen wir jetzt schon, obwohl bald der Morgen graut und unsere Kräfte schwinden. Hier unten sind wir stark genug, und die Riten werden uns neue Macht schenken. Zögern wir nicht länger. Verschieben wir nichts, was jetzt schon erforderlich ist, auf die nächste Stunde nach Mitternacht.“ Jubelnder Beifall. Der Dämon streckte die Arme aus. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er stieß sie in die Luft. „Wir, die wir Satan gehören mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele, sagen dir, oberster Geist des Guten, den Kampf an und sagen dir, daß das Böse siegen wird!“
Alle machten seine Geste nach und antworteten im Chor: „Daß das Böse siegen wird!“ Schauerlich brach es sich an den Wänden. Der Boden erbebte. Die Fackeln flackerten und drohten zu erlöschen.
„Noch ist der Sieg nicht euer!“ schrie jemand mit sich überschlagender Stimme. Es war aus dem Hintergrund gekommen. Alle wandten ihre Köpfe zu dem Frevler hin. Die Augen des Dämons sprühten Feuer. Auch wir schauten hinüber. Eine eiskalte Faust schien nach meinem Herzen zu greifen. Im Eingang zur Höhle stand
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