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Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)

Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)

Titel: Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W.A. Hary
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gestern waren wir hier in Nagarpur, jener indischen Kleinstadt, die, versteckt von tropischen Wäldern, geographisch etwa zwischen Bombay und Poona liegt. Signir hatte mich gerufen, und nun war ich endlich unterwegs zu ihm. Don Cooper war in dem schäbigen Hotel zurückgeblieben, in dem wir abgestiegen waren. Ich hatte allein zu meinem alten Freund gehen wollen. Es hatte mich mißtrauisch gemacht, daß uns Signir nicht empfangen hatte. Normalerweise hätten wir kein Hotel gebraucht. Wir wären bei Signir untergekommen. Er hatte Platz genug. Mein Mißtrauen war jedenfalls erwacht und hatte mich dazu bewogen, erst einmal solo und unerkannt die Lage zu sondieren.
    Die Straßen muteten unwirklich an. Es war erschreckend, wie gleichgültig sich die Passanten gegenüber der allgegenwärtigen Armut verhielten. Sie hatten sich daran gewöhnt. Ich hatte mich in meiner Kleidung dem äußeren Erscheinungsbild der Einheimischen angepaßt, um nicht als Tourist sofort erkannt zu werden. Das hatte sich bei meinen Aufenthalten in diesem geheimnisvollen Land stets bewährt.
    Ich schaute mich immer wieder um, damit ich ja nicht den Weg verfehlte. Hier gab es keinerlei Straßenbezeichnungen, und überall sah es beinahe gleich aus. Plötzlich wurde ich von hinten angerempelt. Dabei kam ich ins Stolpern und verlor fast meinen Turban. Ehe ich mich gefangen hatte, brach um mich herum Tumult aus. An einer Hauswand suchte ich Schutz und richtete mich auf.
    Ich rückte den Turban zurecht, der mir über die Augen gerutscht war. Lautes Schreien. Die Einheimischen bedienten sich ihres eigenartigen, singenden Dialektes. Ich verstand kein Wort. Diese Sprache war und blieb mir ein Buch mit sieben Siegeln. Jetzt erst erkannte ich, daß der vermeintliche Angriff nicht mir gegolten hatte. Ich war den Angreifern nur im Weg gewesen, und man hatte mich auf unsanfte Weise zur Seite gestoßen. Ausgemergelte Gestalten, die auf der Straße gelegen hatten, rafften sich panikerfüllt auf und suchten das Weite, so schnell sie konnten.
    In dem Getümmel entstand eine Lücke. Ich erkannte inmitten der Menschen eine Gruppe von bärtigen, grimmig dreinschauenden Männern in zerlumpter Kleidung, die auf einen Mann einschlugen. Mir schauderte, vor allem, weil niemand dem Opfer zur Hilfe kam. Und dann kristallisierte sich aus dem Schreien um mich herum in einziges Wort heraus: „Kali!“
    Heiße Wut stieg in mir auf. Ich stieß mich an der Hausfassade ab und wollte mich einmischen. Eine Hand hielt mich zurück. Ich schaute in das runzelige Gesicht eines Greises, der mich beschwörend ansah. In seinen Augen flackerte es. Mit seinen strichdünnen Lippen formte er das eine Wort und stieß es mehrmals aus: „Kali!“ Dann ließ er mich los und verschwand aus meinem Gesichtskreis, ehe ich es verhindern konnte.
    Ein eigenartiges Gefühl kroch in mir empor. Unwillkürlich tastete ich nach dem Schavall, der unter meiner Kleidung verborgen auf der Brust baumelte. Er zeigte keinerlei Reaktionen, also spielten hier magische Kräfte keine Rolle. Dennoch lag über dem Ganzen die Atmosphäre des Grauens. Und ich fand schnell heraus, wodurch diese entstanden war. Nämlich allein schon durch den schrillen Aufschrei: „KALI!“ Denn Kali war die Göttin einer indischen Sekte. Meistens wurde sie dargestellt mit einem Medusahaupt, umgeben von Schlangen, und mit vier Armen ausgerüstet, die ebenfalls den Leibern von Schlangen ähnelten. Kali war eine Schlangengöttin, eine, die Opfer verlangte: Menschenopfer!
    Aber waren die Anhänger und Priester des schrecklichen Kultes nicht von den Engländern, den ehemaligen Kolonialherren hier in Indien, seinerzeit verfolgt, ausgerottet - und die Sekte letztlich erfolgreich verboten worden?
    „Kali!“ zischte einer der Angreifer durch die Zähne. Ich wich zurück und schaute fassungslos auf das Bild, das sich mir bot. Nein, es wäre tatsächlich einem Selbstmord gleichgekommen, hätte ich jetzt noch versucht, einzugreifen. Mir blieb leider nur die Rolle des Zuschauers. Der Überfallene lag am Boden. Er hob den Kopf. Die weit aufgerissenen Augen starrten auf einen der Angreifer, der noch einmal den Namen der Schlangengöttin wiederholte, dann drei Schritte zurücktrat und unter sein Gewand griff. Ich hielt den Atem an, als ich sah, was der Inder hervorholte: Eine lebendige Königskobra.
    Die flügelähnlichen Hautlappen mit der Brillenzeichnung blähten sich auf, der schlanke, spitz zulaufende Kopf züngelte angriffslustig. Rhythmisch pendelte

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