Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)
Berührung sie zu neuem Leben. Sobald die überdimensionale Hand sich jedoch wieder zurückzog, sanken sie reglos zurück. Offensichtlich war die Göttin trotzdem mit ihrem Werk zufrieden. Sie lehnte sich zurück, und einen Augenblick lang glaubte ich sogar, sie würde rückwärts umstürzen.
Kaum war sie wieder in der Bewegung erstarrt, als ihre Jünger zurückkehrten und die Körper davontrugen, auch den des Mannes, dessen Tod ich erlebt hatte. Der Oberpriester trat vor, nachdem das Feld geräumt war, und schien laut zu beten.
Abermals sorgte Stephen Millair für die Übersetzung: „Er dankt seiner großherrlichen Göttin für die Annahme der Gaben. Die sechs sollen würdige Diener werden.“
„Als Untote etwa?“ entfuhr es mir.
Millair gönnte mir einen mißtrauischen Blick. „Ich habe mich in euch beiden nicht getäuscht, wie mir scheint. Ihr seid offensichtlich vom Fach.“ Ich vermißte den ironischen Unterton, der das meiste begleitete, was er aussprach.
Wir drei - Stephen Millair, Don und ich - schauten wieder durch unsere Nachtgläser. Mit bloßem Auge hatten wir kaum etwas erkennen können. Dafür befand sich der Ort des Geschehens zu weit weg, obwohl die Akustik trotz der Entfernung ungewöhnlich gut war.
Der alte Oberpriester unterbrach seine Litanei. Er löste die Handinnenflächen von seiner Brust, hob die Arme nach außen und drehte sich langsam um sich selbst. Ich erkannte helles Funkeln an seiner Brust. Es mochte sich um einen riesigen Edelstein handeln, der bisher unseren Blicken verborgen geblieben war. Er mußte ihn erst angelegt haben, nachdem er die Felsspalte betreten hatte.
Die Reaktion von Stephen Millair darauf war überraschend. Er sprang auf einmal auf, wie von einer Tarantel gebissen. „Das darf doch nicht wahr sein!“ murmelte er.
Unwillkürlich widmete ich mich dem funkelnden und gleißenden Ding mehr. Es gelang mir nicht recht, es zu erkennen. Nicht wegen der Entfernung: Die Lichtkaskaden, die daraus hervorbrachen, machten es einfach schwer, Konturen wahrzunehmen. Aber soviel konnte ich dennoch sehen, nämlich, daß es sich tatsächlich um eine Art Edelstein handelte, der an einer Kette hing. Hatte das Ding magische Bedeutung? Das erschien ziemlich offensichtlich!
„Verdammt, es gibt ihn also doch!“ knurrte Stephen Millair. Er war ganz aus dem Häuschen und wollte sich gar nicht mehr beruhigen. „Es gibt ihn, und ich habe es die ganze Zeit über gewußt!“
„Wovon sprechen Sie?“
Meine Frage ließ ihn seinen Freudentaumel unterbrechen: „Es gilt, den Vorsprung wieder aufzuholen, den die mir gegenüber haben!“
„Was, um alles in der Welt, meinen Sie damit?“ Don Cooper setzte sein Glas ab und betrachtete Millair, als würde er ihn jetzt zum ersten Mal sehen.
„Der Stein, den der Oberpriester trägt, ist der Beweis, auf den ich lange gewartet habe. Seit meiner Entziehungskur weiß ich davon, und jetzt habe ich endlich Gewißheit, obwohl die Zeichen im Grunde genommen deutlich genug waren. Jemand ist mir zuvorgekommen. Das ist jedenfalls sicher.“
Ich spürte Ärger in mir aufsteigen. Ich lag also mit meiner Annahme, daß dieser Millair uns für seine privaten Zwecke ausnutzen wollte, also goldrichtig. „Wenn Sie uns nicht augenblicklich begreiflich machen, was es mit diesem Stein auf sich hat, vergesse ich mich!“ Ich meinte meine Drohung durchaus ernst. Der Mann war mir einfach zuwider. Ich konnte mir da nicht helfen. Und daß meine Antipathie durchaus berechtigt war, hatte er ja ausreichend genug bewiesen.
„Nun, ich spreche von dem sagenhaften Juwelenschatz!“ Seine Augen glühten dabei wie die eines Wahnsinnigen.
*
Endlich ließ er sich dazu herab, uns näher aufzuklären: „Ich berichtete Ihnen bereits von meiner Sucht. Ich war völlig heruntergekommen und besaß kein Geld mehr, als ich zum ersten Mal von der Sage hörte. Die Geschichte beschränkte sich eigenartigerweise nur auf Nagarpur. Das war kein Wunder, denn hier war schließlich die eigentliche Domäne des Kali-Kultes gewesen. Es gab zwar auch andere Zentren der Kali-Anbetung, aber Nagarpur spielte offenbar stets die Hauptrolle. Ja, kein Wunder, denn hier verbarg sich schließlich der Oberpriester höchstselbst vor den Engländern. Man berichtete, daß es ein paar listigen Engländern gelang, den Oberpriester zu übertölpeln und am Ende sogar zu töten. Damit verlor der Kult endgültig seine Macht. Es wurde leichter, ihn völlig aufzulösen. Die Priester jedoch, die das
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