Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)
Massaker noch überlebt hatten, versteckten rechtzeitig ihre Schätze und lenkten die Engländer davon ab, indem sie sich freiwillig in die Gefangenschaft begaben. So fanden auch sie schließlich jenes furchtbare Ende in diesem Tempel, in dem sie selber so viele Unglückliche im Namen Kalis hatten sterben lassen. Aber davon wissen Sie ja schon.
Es soll noch mehrere geheime Plätze geben, an denen versprengte Kalianbeter später heimlich ihre Rituale weiterhin abgehalten haben. Es sollen dort aber praktisch keine Priester mehr verfügbar gewesen sein. Auch wurden keine Menschenopfer mehr gebracht, so lange die Hauptopferungsstätte hier nicht neu eingeweiht werden konnte. Das hat sich inzwischen ja dramatisch geändert, wie wir gesehen haben.
Aber ihr wolltet ja mehr von dem Schatz erfahren: Man verteilte ihn sinnigerweise an mehreren Stellen. Genaues über die Verstecke habe ich bis heute nicht Erfahrung bringen können, obwohl ich die ganze Gegend in und um Nagarpur durchkämmt habe. Deshalb kenne ich mich ja auch so gut aus hier.“
„Glauben Sie, daß die Vorgänge um die Entstehung dieses neuen Kultes etwas mit dem sagenhaften Schatz zu tun haben könnten?“ fragte ich ihn.
Millair grinste mich an und enthielt sich der Antwort.
Ich ließ mich davon nicht beirren und schoß die nächste Frage ab: „Sind Sie wirklich sicher, daß es diesen Schatz überhaupt gibt?“
„Ist der riesige Stein dort unten denn nicht Beweis genug? Der neue Oberpriester hat ihn in seinem Besitz. Er wird auch alle anderen haben.“
*
Wir beobachteten weiter: Der Oberpriester nahm das Amulett mit dem im magischen Feuer glitzernden und gleißenden Edelstein vom Hals und stellte sich vor die steinerne Göttin. Ihre Augen, die ebenfalls aus Edelsteinen bestanden, glühten stärker. Dieses Glühen spiegelte sich in dem Amulett in den Händen des Alten wieder. Die Wechselwirkung verstärkte sich sogar noch, bis gleißende Strahlenbahnen sich kreuzten und in ihrem Zentrum ein spitzwinkeliges Dreieck bildeten. Aber damit nicht genug. Das Dreieck rundete sich mehr und mehr ab, bis es die Konturen eines Schlangenkopfes bekam. Auch jetzt war der Prozeß noch nicht abgeschlossen. Immer naturgetreuer wurde die Nachbildung, bis der überdimensionale Schlangenkopf perfekt erschien.
Der Oberpriester rief etwas der Göttin zu.
Diesmal übersetzte Stephen Millair ohne Aufforderung: „Mein ist die Kraft, die du, göttliche Kali, von den Opfermenschen schöpfst. Wir töten in deinem Namen, um deine Macht zu mehren, auf daß du uns daran teilhaben läßt.“
In diesem Augenblick gewahrte ich eine Bewegung bei der Felsspalte, in der der Oberpriester anfangs verschwunden war. Es war reiner Zufall, daß ich darauf aufmerksam wurde: Dort stand plötzlich ein Mann. Genauso plötzlich wie er aufgetaucht war, verschwand er wieder. Als könnte er sich einfach in Nichts auflösen. Ich hatte zwar nicht viel von ihm gesehen, aber es war offenbar kein Inder gewesen. Hatte er nicht den typischen Tropenanzug eines Europäers angehabt?
Die Vorgänge inmitten der freien Tempelruine lenkten wieder meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Oberpriester hob nach seinem Sprechgesang, der zum Schluß nur noch aus Lobpreisungen der Göttin Kali bestand, beide Arme mit dem funkelnden Stein, der von dem züngelnden Maul des eben erst durch die magischen Strahlenbahnen entstandenen transparenten Riesenschlangenkopfes leicht berührt wurde.
Kaum hatte der Mann den Stein hoch über den Kopf erhoben, als das durchsichtige Geistergebilde des Schlangenkopfes in seine Arme überzufließen begann. Er verschmolz regelrecht mit dem Körper des Oberpriesters. Dünne Strahlenfäden verbanden ihn währenddessen mit den von innen her gespenstisch glühenden Augen der Kali. Diese letzte Verbindung mit der Göttin riß erst, als der geisterhafte Kobrakopf völlig in den Oberpriester übergegangen war.
Am Fuße der für uns unsichtbaren Treppe brach ein Freudengeheul aus. Mir war klar, daß hier unglaubliche magische Kräfte im Spiel waren. Obwohl es vielleicht nur ein Kräftebeweis war, um die Kali-Jünger zu begeistern. Einen anderen Sinn mußte es nicht unbedingt haben. Daß ich damit möglicherweise richtig lag, bewies allein schon die frenetische Anteilnahme des Fußvolkes, wie ich es insgeheim nannte.
Der Oberpriester setzte dem allem noch die Krone auf, als er gemächlich zur Treppe schritt. Er bewegte sich dabei in einer Art, als sei er nicht mehr Herr seiner Sinne. Das
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