Teufelskreise (German Edition)
Telefonnummern der Wærwölfe notiert, die bei Vollmond in meine Zwinger kamen, obwohl ich bisher noch nie Änderungen hatte ankündigen müssen.
Ich steckte einen Vierteldollar in das öffentliche Telefon und wählte Johnnys Nummer. Es klingelte zwei Mal.
»’lo?«
»Johnny? Ich bin’s, Persephone Alcmedi. Ich -«
»Hey, Red!«
Seine Begrüßung brachte mich aus dem Konzept. Mein Haar war dunkel, dunkelbraun. Als Teenager hatte ich es mir mal blond gefärbt, aber eine Woche später sagten die Schulzicken gemeine Sachen zu mir, etwa wie: »Deine griechischen Wurzeln zeigen sich.« Also war mein Haar wieder braun geworden; so blond hatte ich mich ohnehin nicht wohlgefühlt. Ich war eher der dunkle Typ. »Red?«, fragte ich jetzt.
»Ich habe beschlossen, dich von nun an Red zu nennen.«
»Na gut. Meinetwegen. Aber warum?«
Er kicherte auf eine sehr maskuline Art und senkte die Stimme. »Weil ich der böse Wolf sein will, der dich und deine Großmutter besucht, Rotkäppchen.«
Ich lachte so laut, dass die Leute an den Zapfsäulen zu mir herüberstarrten. Als ich Johnny seufzen hörte, konnte ich förmlich sehen, wie er zufrieden lächelte. Er liebte Aufmerksamkeit.
»Ich wusste, du würdest mich irgendwann anrufen«, sagte er.
»Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss, aber ich rufe nicht deswegen an.«
»Mist.« Er hauchte das Wort mehr, als dass er es sagte.
»Hast du morgen schon etwas vor?«, fragte ich schnell.
»Für dich habe ich immer Zeit, Red.«
»Lass das. Und deute nichts in meine Worte hinein, was nicht da ist.« Bei Vollmond ließen sich die Wærwölfe selbst in meinen Sturmkeller und schlossen sich in den Käfigen ein, mit wem sie wollten – eine wichtige Entscheidung, denn sie vertrieben sich die Zeit vor allem mit der Paarung. Und das mit sehr viel Energie und Leidenschaft, wenn ich die Geräusche richtig deutete. Im Gegensatz zu geborenen Wölfen mussten Wærwölfe dafür nicht läufig sein. Doch wenn ich im Morgengrauen nach unten kam, um die Käfige aufzuschließen, fand ich Johnny immer allein vor. Er neckte mich und heulte mich an – er war sozusagen der Rudelclown.
»Ach, komm schon, Red. Geh mit mir aus, nur ein einziges Mal. Ich beiße nicht. Und ich lecke nur, wenn du es willst.«
Ich lächelte, sagte aber leise: »Nein.«
Er seufzte. »He … hast du das von Lorrie gehört?« Auch seine Stimme war jetzt leise und ernst.
»Ja«, sagte ich. Eine schwere, traurige Stille füllte die Telefonleitung. Ich hätte gern etwas mehr erwidert, aber mir fielen nur Plattitüden ein. Und ich konnte ja wohl schlecht sagen: »Keine Sorge, ich kümmere mich schon darum.« »Mir fehlen einfach die Worte.«
»Ich hoffe, sie kriegen den Mistkerl.« Johnny wusste besser als die meisten, dass Wærwölfe nicht auf die Justiz zählen konnten. Wahrscheinlich hatte auch er keine Ahnung, was er zu dem Vorfall sagen sollte.
»Ich auch.« Ich hielt inne, um dann zu fragen: »Ähem … was ist jetzt eigentlich, hast du morgen schon etwas vor?«
»Ich habe doch gesagt, dass ich Zeit habe.«
»Wunderbar. Könntest du nach Cleveland fahren und dort etwas für mich abholen? Am besten in, äh … , deinen Bühnenklamotten.« Johnny war Frontman einer sehr guten Techno-Metal-Goth-Band. Meine Freundin Celia war mit dem Drummer Erik verheiratet.
»Tagsüber?«
»Mmm. Um vier Uhr nachmittags.«
»Geil. Ich mag es, wenn die Anzugträger Angst vor mir haben. Was soll ich abholen?«
»Wahrscheinlich einen Aktenkoffer oder so etwas in der Richtung.«
Er schwieg. »Du weiß es nicht?«
»Ist eine lange Geschichte.«
»Die du mir bei einem Abendessen erzählen könntest?«
Ich verdrehte die Augen. »Johnny.«
»Okay, okay. Wo soll ich hin?«
»In einen Coffeeshop in der Nähe der Rock and Roll Hall of Fame. Auf der East Ninth. Du bekommst alles von der Managerin des Ladens.«
»Echt? Ist das das Geschäft, in dem sie ihre eigenen Bohnen rösten?«
Ich musste lächeln. Johnny war schnell zu begeistern. Ich will nicht gemein klingen, aber wenn es nur einen einzigen Mann geben würde, der einen guten Wærwolf abgab, den Cousin des besten Freundes des Menschen, dann würde es mit Sicherheit Johnny sein. Er besaß den Charakter einer schwanzwedelnden Töle, die gerade ihr Leckerli bekommen hat. »Ja, genau das ist das Café.«
»Cool. Warte, was springt für mich dabei raus?«
In Gedanken noch ganz bei der schwanzwedelnden Töle sagte ich: »Leckerlis.«
»Uuuuh, Baby.«
»Nicht solche, Johnny.
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