Teufelskreise (German Edition)
dass es mir bei unserem ersten Treffen genauso gegangen ist.« Auch an diesem Morgen hatte sie mich schon von oben herab behandelt, trotzdem hatte ich nach Entschuldigungen für ihr Verhalten gesucht. »Was ist mit ihr los?«
»Darüber solltest du nachdenken.«
»Ich meine, ich verstehe ja, dass sie mich benutzt, damit ich ihr den Weg in den Ältestenrat ebne. Ich bin nur ein Werkzeug für sie. Und ja, ich mag es nicht, benutzt zu werden, das stimmt, aber ich schlucke auch gern meinen Stolz herunter, wenn es um eine gute Sache geht. Nur … ist das hier wirklich etwas Gutes?«
»Darüber solltest du nachdenken«, wiederholte Amenemhab.
Ich warf ihm einen verständnislosen Blick zu.
Er machte es sich bequem, als habe er vor, sich länger auszuruhen. »Denk darüber nach, was du weißt; die Antworten auf das, was du nicht weißt, werden sich daraus ergeben. Beides ist eine Gleichung, die du lösen musst, um zu verstehen.«
Ich schloss die Augen und dachte an unser Treffen zurück. Was wusste ich über Vivian? Was konnte ich erkennen, das mir weiterhelfen würde? Sie war eine Hohepriesterin, was bedeutete, dass sie viel über Magie und Energien wusste und mit Menschen umgehen konnte. Ihr protziger Schmuck ließ auf Eitelkeit schließen, sie liebte Geld oder hatte einfach eine Schwäche für Diamanten. Aus dem aufgeräumten Büro schloss ich, dass sie im besten Fall eine ordentliche, im schlechtesten eine zwanghafte Veranlagung hatte. Die schicke Holzkiste war wohl ein Behältnis für irgendein cooles magisches Werkzeug gewesen, das würde passen. Außerdem verfügte sie für eine Café-Besitzerin definitiv über zu viel Bargeld. Immer wieder kam ich thematisch auf das Geld zurück. Vermutlich hatte die Kiste etwas mit Vivians Geschäft zu tun, aber sie versteckte darin wohl kaum eine Gans, die goldene Eier legte. Was aber wäre, wenn der Inhalt nichts mit ihrem Geschäft zu tun hätte, sondern ausschließlich mit ihr als Person?
Sie war jünger, als ich angenommen hatte, und war beleidigt gewesen, als ich überrascht über ihr Alter gewesen war. Zusammen mit ihrer Eitelkeit, die sich in ihrem Schmuck und dem perfekten Make-up zeigte, könnte man daraus schließen, dass sich in der Kiste ein Illusionszauber befand. Vielleicht hatte sie ihn einer Fee abgeluchst? Vielleicht würde die Berufung in den Ältestenrat ihrer Eitelkeit ebenso schmeicheln wie ihr Schmuck und ihr Make-up? Trotzdem musste das viele Geld ja irgendwoher stammen, und Feen waren nicht gerade dafür bekannt, Bargeld im Überfluss zu besitzen. Vampire dagegen waren immer flüssig, wenn man das so sagen durfte. Moment –
War Vivian vielleicht an einen Vampir gebunden? Manche Leute sagten dazu auch »gezeichnet«, aber ich bevorzugte den Ausdruck »stigmatisiert«, weil er das Element der Schande betonte. Von einem Vampir gezeichnet zu werden war schlimmer, als den scharlachroten Buchstaben tragen zu müssen. Wäre Vivian also stigmatisiert, so würde sie aufgrund der übernatürlichen Rückstände auch langsamer altern. »Sie trägt das Stigma eines Vampirs«, sprach ich laut meine Schlussfolgerung aus.
Amenemhab neigte den Kopf. »Siehst du? Du hast die Gleichung gelöst.«
»Gelöst? Nichts ist gelöst! Das Ganze ergibt keinen Sinn mehr. Warte –«
Der Schakal grinste.
»Mit einem Vampirstigma kann man nicht im Rat sitzen.«
»Und wie könnte sie es loswerden?«, fragte er.
»Indem der Vampir getötet wird, der sie damit belegt hat … « Meine Augen verengten sich zu Schlitzen.
»Aber?«
»Aber natürlich kann sie ihn nicht selbst umbringen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann schützen die Fesseln des Stigmas alle miteinander Verbundenen. Und wenn ich recht habe, dann wird Goliaths Tod sie nicht nur von ihrem Stigma befreien, sondern ihr auch schaden. Sein Todesschmerz würde sie ebenfalls treffen, vielleicht müsste sie genauso sterben. Warum sollte sie sich das antun wollen?«
»Ich bezweifle, dass sie beabsichtigt, Suizid zu begehen. Es ist eher ein Risiko, das sie wagt – und zwar eins, das sie bereit ist einzugehen und gegen das sie bereits Vorkehrungen getroffen hat.«
»Sie lässt mich also ihre schmutzige Arbeit erledigen, damit sie eine Ratsälteste werden kann?« Ich war wütend. »Für sie bin ich nichts weiter als ein kleines Rädchen in ihrem Plan?«
Er deutete mit dem Kopf in die Richtung, in die der Mustang verschwunden war. »Du bist ein großes Rädchen in ihrem Plan.« Er zwinkerte mir zu. »Die Göttin ist
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