Teufelskreise (German Edition)
muss.«
Angespannte Stille senkte sich über den Raum. Mich verließ der Mut.
»Wollen Sie damit sagen, dass wir denjenigen, der ihr das angetan hat, dazu bringen müssen, an dem Ritual teilzunehmen, um sie zu wandeln?«, brummte Johnny.
»So verstehe ich die Stelle.« Dr. Lincoln zuckte die Achseln.
»Mein Latein ist mittlerweile ein wenig eingerostet«, gab Nana zu, »aber der Doc hat an der Ohio State University Latein im Nebenfach studiert. Ich denke, wir können seiner Interpretation vertrauen.« Sie sah mich an, als würde ihr schlecht werden.
»Danke, Demeter«, sagte Dr. Lincoln, »dennoch sollte ich hinzufügen, dass meine Ausbildung nicht lokale Dialekte oder Besonderheiten beinhaltete, wie man sie sicher zahlreich im Hexen- oder auch im mittelalterlichen Latein findet.«
»Aber darum geht es doch jetzt gar nicht«, stellte ich fest. »Wir glauben Ihnen, aber wir können Theo nicht umbetten. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir einen Vampir in mein Haus bitten müssen.« Ein beängstigender Gedanke.
Es folgte ein kollektiver Seufzer. Die Stimmung wurde noch düsterer. Keiner sagte etwas, bis Celia das Wort ergriff: »Das ist doch dumm.«
»Was?«
»Wir können keinen Vampir in unser Ritual einbauen. Er ist doch tot.«
»Genau genommen«, sagte Nana, »ist er das nicht.«
»Was?«, riefen Johnny, Erik und ich fast gleichzeitig.
»Nun ja, Vampire leben in den Nachtstunden«, behauptete Nana.
»Ach was, sie sind nur wiederbelebt«, sagte ich. »Das ist nicht dasselbe.«
»Nicht?«, sagte Nana.
An die Stelle der allgemeinen Resignation trat Anspannung. »Das musst du uns erklären.«
»Sie sind lebende Toten, Persephone. Du hast selbst gesehen, wie Goliath mit Beverley umgegangen ist. In der Nacht ist er ein Wesen mit einem Bewusstsein, zumindest funktioniert bei ihm das Stammhirn. Vielleicht müssen wir unsere Sichtweise ändern, wenn auch nur für heute Nacht, und Vampire als das sehen, was sie letztendlich sind: Menschen, die mit einem Fluch belegt wurden.« Sie deutete auf das Buch. »Von der Sonne verflucht – verdammt dazu, jeden Tag aufs Neue zu sterben, nie die tröstliche Wärme der Sonne zu spüren. Sie sind verflucht, aber trotzdem noch immer Menschen.«
»Ja, Menschen, die andere Menschen fressen«, stellte ich fest.
»Falsch«, sagte Johnny leise. »Wærwölfe fressen Menschen. Vampire trinken nur ihr Blut.«
Ich rieb mir die Stirn. Mir widerstrebte es, einen Vampir um Hilfe zu bitten, aber mir blieb keine Zeit mehr, um Theo zu retten. »Das Problem«, sagte ich, »ist folgendes: Lasse ich sie ins Haus, werde ich unseren einzigen Schutz aufgeben müssen.«
»Es geht nur um Goliath«, sagte Johnny.
»Und wenn er einmal drin ist, muss er nichts weiter tun, als seinen Meister einzuladen. Dann kann ich sie auch gleich beide hereinbitten und hoffen, dass meine Gastfreundschaft mir ein paar Pluspunkte bei ihnen verschafft.« Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. »Wenn ich einmal die mächtigen Worte ausgesprochen habe, wenn ich sie also erst einmal in mein Haus gebeten habe, dann kann sie allerdings auch nichts mehr davon abhalten, einfach Vivian und das Buch zu nehmen und dann zu verschwinden.«
21
Ich saß auf der Matratze und hielt Theos Hand. Bis auf das Bett, Theo, die medizinischen Geräte und mich war der Raum leer – Dr. Lincoln hatte ihn verlassen. An der Wand gegenüber, an der die Kommode gestanden hatte, entdeckte ich Spinnweben, und dort, wo eben noch die Kommode und die Nachttische gewesen waren, bedeckte eine Staubschicht die Dielen. Ein schwerkranker Patient sollte eigentlich in einer sauberen Umgebung liegen, aber eigentlich hatte ich auch gedacht, mein Zimmer wäre sauber.
Ich ließ Theos Hand los und erhob mich. Nachdem ich ein sauberes Baumwoll-T-Shirt aus dem Nebenzimmer geholt hatte, wischte ich die Spinnweben und den Staub weg und wünschte mir dabei, auf die gleiche einfache Weise den Schmerz und das Leid aus dem Leben all der Menschen in diesem Haus fortwischen zu können.
Ich wollte nicht, dass Theo starb. Ich wollte nicht, dass überhaupt jemand starb, doch wenn Vampire in meinem Haus Amok liefen, würde niemand von uns lebend davonkommen. Und eigentlich war »Amok laufen« sogar noch eine Untertreibung für das, was sie veranstalten konnten, und musste sich in ihren Ohren beleidigend sterblich anhören. Sie würden sich wohl lieber mit einer Atombombe verglichen sehen wollen oder einer Nova oder etwas, das ähnlich beeindruckend klang, auch wenn
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