Teufelsmond
«Ist nicht schon genug Unheil geschehen?»
Dann ging er hinüber zum Stall, öffnete die Tür. «Alles leer!», verkündete er mit Genugtuung in der Stimme. «Sie haben alles mitgenommen. Mit Sack und Pack, mit Kind und Kegel haben sie sich davongemacht.» Erleichtert winkte er den Glenbauern heran. «Sieh selbst. Ein Feuer ist vollkommen unnötig.»
«Ha! Das denkst du!» Der Glenbauer spuckte aus. «Vielleicht sind sie weg, aber ihr Geist, der ist noch hier. Denke nur an die Leichen, drüben auf dem Acker.»
Karla hielt die Luft an. «Sie wollen wahrhaftig den Hof anzünden!», japste sie. Der schwarze Jo ballte neben ihr die Fäuste.
«Ihr müsst die Euren warnen», meinte Pater Fürchtegott. «Vielleicht wäre es wirklich klüger, für ein paar Tage in einem Kloster Unterschlupf zu suchen.»
«Pscht! Sie sind am Brunnen!» Der schwarze Jo hatte nach Karlas Hand gegriffen und presste sie so stark, dass Karla am liebsten aufgeschrien hätte.
Der Hettrich drehte an der Brunnenkurbel, die laut quietschte, und kurz darauf erschien der gefüllte Eimer.
«Was hast du vor?», fragte der Glen.
«Nichts. Ich habe Durst, das ist alles.»
Der Glen stieß gegen den Eimer, sodass dieser seinen Inhalt ausgoss. «Lass das lieber sein.»
«Was soll das, he?» Hettrich war so wütend, dass er dem Glenbauern einen kräftigen Stoß vor die Brust versetzte. «Ich habe Durst, verdammt noch mal. Willst du mir etwa verbieten, etwas zu trinken?»
«Lass es einfach!» Die Stimme des Glenbauern klang drohend. «Warte, bis du zu Hause bist.»
Hettrich fixierte den Glen aus schmalen Augen. Dann ließ er den Eimer wieder zum Brunnen hinab, zog ihn hoch und machte Anstalten zu trinken.
«Lass es, verdammt!», brüllte der Glen.
Hettrich ließ die Hände sinken. «Warum? Warum darf ich nicht trinken?»
Der Glen biss sich auf die Lippen. «Ist zu gefährlich.»
«Was ist daran gefährlich?»
«Frage nicht länger. Tue einfach, was ich sage.»
Hettrich trat einen Schritt auf den Glenbauern zu. «Warum?»
Der Glen seufzte und schlug dem Hettrich mit der flachen Hand vor die Stirn. «Kannst du dir das nicht denken, du Trottel? Das Böse haust hier. Hier in der Mühle. Es kann gut sein, dass auch das Wasser verdorben ist.»
Der Hettrich spuckte verächtlich aus. «Das Brunnenwasser kommt aus dem Schorbach. Das ganze Dorf trinkt davon.»
«Ja. Das Dorf trinkt davon. Aber weiter vorn. Wir schöpfen das Wasser nahe an der Quelle. Das Böse, mein Lieber, findet sich erst hier.»
Er packte den Hettrich bei der Schulter. «Und jetzt komm. Es ist nicht die Zeit für Händel. Wir müssen zusammenhalten. Noch ein paar Tage, dann ist der Spuk vorbei.»
Hettrich zog noch immer eine bittere Miene, doch er ließ sich vom Glen mitziehen, und beide verschwanden vom Hof der Michelsmühle.
Karla atmete auf. «Bring deine Familie weg. Tue, was der Pater dir gesagt hat.»
Fürchtegott nickte bekräftigend. «Nicht weit von hier, in Immichenhain, da haben die Benediktiner ein Gästehaus. Es ist klein, dient nur den reisenden Brüdern als Herberge. Aber ich bin sicher, dort findet Ihr Unterschlupf. Grüßt von mir, sagt dem Vorsteher, dass ich Euch schicke.»
Der schwarze Jo strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. «Ich soll fliehen und zulassen, dass sie meinen Hof abbrennen? Niemals. Ich werde mein Eigentum verteidigen bis zum Letzten.»
«Nun, ich glaube nicht, dass es zum Äußersten kommen wird», erklärte Pater Fürchtegott. «Die Worte des Glenbauern haben mich nachdenklich gestimmt. Langsam ahne ich, was hier vor sich geht.» Er wandte sich an den schwarzen Jo. «Nehmt das hier. Gebt der Kleinen nichts als die Milch zu trinken. Und labt Euch selbst am Wein. Seid Ihr noch alle gesund?»
Der Michelsmüller nickte. Sein Kinn war kantig, seine Miene entschlossen. «Ich werde meinen Hof nicht verlassen», beharrte er.
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Dreißigstes Kapitel
Den ganzen Tag über war Karla angespannt. Ihr war, als läge etwas in der Luft, das sie nicht greifen konnte. Sie stand am Fenster und sah auf die Dorfstraße hinaus, darauf gefasst, dass jeden Augenblick etwas passieren würde. Doch die Straße lag ruhig. Die Häuser waren verriegelt und verrammelt. Ihr Blick fiel auf den Hettrichhof. Dort stand ein Zuber mit eingeweichter Wäsche, doch keine Magd bückte sich über das Waschbrett. Im Glenhof hing ein mit einer Schlinge gefangener Hase vor der Scheunentür, doch niemand war da, der ihm das Fell abzog.
Ein Karren zog
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