Teufelsmond
konnte.
Karla fühlte sich wie zerschlagen. Sie hatte unruhig geschlafen und seltsam geträumt. Immer wieder hatte sie in den Wachphasen an die stumme Magd gedacht, die sich dem Glenbauern ohne Gegenwehr ergeben musste, eine mit Blut gefüllte Schweinsblase als einzigen Schutz. Auf der Dorfstraße waren Menschen unterwegs gewesen. Karla hatte ihre Stimmen gehört. Die stumme Magd konnte nicht schreien, das stand fest, trotzdem erstaunte Karla die Dreistigkeit des Glenbauern. Sie hatte schon zuvor bemerkt, dass einige der Dorfbewohner vor ihm kuschten. Selbst die dürre Bernadette grüßte ihn ziemlich ehrerbietig. Karla nahm sich vor, Else, mit der sie sich nun befreunden musste, nach ihm zu fragen.
Seufzend wühlte sie sich aus dem Bett, ahnend, dass sie die Erste war und sich sogleich die beiden Eimer schnappen musste, um aus dem Schorbach Wasser zu holen.
Sie zog sich an, schlüpfte in die Stiefel des Dippelpfarrers, schnappte sich die beiden Eimer und öffnete die Tür. Beinahe wäre sie mit dem schwarzen Jo zusammengestoßen.
«Gott zum Gruße», stammelte Karla. «Wollt Ihr zu uns?»
«Zum Pater will ich. Er muss noch einmal kommen. Meinem Bruder geht es schlecht, und auch meine Tante liegt krank im Bette. Wo ist er?»
«Noch nicht auf. Es ist sehr früh, die Dämmerung hat gerade eingesetzt. Seht, im Dorf sind alle Läden noch geschlossen.»
Der schwarze Jo fuhr sich mit der Hand über die Augen, die dunkle Ringe umgaben. «Verzeiht», murmelte er. «Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Mir war nicht bewusst, dass es noch so früh ist.»
Er blickte auf die beiden Eimer. «Ich wollte gerade Wasser holen», erklärte Karla.
«Darf ich?» Der schwarze Jo nahm Karla die Eimer ab. «Ich erledige das für Euch, wenn Ihr dafür den Pater weckt.»
«Gut.»
Die Tür war noch nicht hinter dem Michelsmüller ins Schloss gefallen, als Karla schon die Treppe zur Kammer des Paters hinaufstürmte. Sie hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Tür. «Steht auf, Pater, rasch. Ihr werdet gebraucht.»
Sie vermied es absichtlich, den Namen des schwarzen Jos zu nennen, um die Else nicht aufzustören, die ganz gewiss sogleich das Haus rebellisch machen würde.
«Ich komme.» Aus der Kammer des Paters war Ächzen und Stöhnen zu vernehmen. Karla eilte zurück in die Küche, holte ein paar Eier aus der Vorratskammer, schnitt Speckscheiben in eine Pfanne und gab, als dieser glasig geworden war, die verquirlten Eier hinzu. Das Essen war gerade fertig, als der schwarze Jo mit den gefüllten Wassereimern zurückkehrte.
«Der Pater kommt gleich», erteilte Karla Auskunft. «Und Ihr setzt Euch einstweilen an den Tisch. Das Frühstück ist fertig. Ich wette, Ihr habt seit einiger Zeit nichts Richtiges mehr gegessen.»
Der schwarze Jo sah Karla mit großen Augen an. «Ihr wollt mich beköstigen?»
Sie wandte sich ihm zu, den Holzschaber noch in der Hand. «Natürlich», erwiderte sie. «Ich bin sicher, Ihr hattet bisher andere Sorgen, als zu frühstücken. Aber essen muss der Mensch, sonst kann er nicht leben. Die alte Grit sagte immer: Essen hält Leib und Seele zusammen.»
«Wer ist die alte Grit?»
Karla winkte ab. «Jemand, den ich kannte.»
«Und den Ihr gernhattet?»
«Ja, das stimmt wohl. Aber jetzt ist sie tot, die alte Grit.»
«Das tut mir leid. Niemand im Dorf hat mir je etwas gegeben, für das ich nicht zahlen musste.» Der Michelsmüller sah so erschöpft aus, dass Karla ihn am liebsten in ein Bett gesteckt hätte. Die Traurigkeit in seinem Gesicht schien Karla noch stärker geworden zu sein. Zu gern hätte sie gewusst, welch schlimmes Geheimnis in seiner Brust ruhte. Doch der Michelsmüller würde es ihr sicher nicht erzählen.
So stellte sie ihm einen vollgefüllten Teller hin, schnitt fingerdicke Scheiben des Brotes, das sie gestern gebacken hatte, und bestrich die Scheiben reichlich mit guter Butter.
«Warum tut Ihr das?», fragte der schwarze Jo und schlang das Essen gierig runter.
«Es gehört sich so», erwiderte Karla. «Gib denen, die hungern, von deinem Brot und denen, die leiden, von deinem Herzen.»
Der schwarze Jo lächelte ein wenig. «Sagt das auch die alte Grit?»
Karla nickte. Der schwarze Jo ließ seinen Löffel sinken und sah Karla direkt in die Augen, sodass es Karla heiß den Rücken hinablief. «Die im Dorf fürchten uns», sagte er leise. «Aber Ihr braucht keine Angst zu haben. Das verspreche ich Euch.»
«Ich habe keine Angst. Warum auch? Wovor sollte ich Angst
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