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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Wochen gestorben. Und seither war der Küster nicht mehr der alte. Jeden Abend hockte er in der Schenke und ging erst dann nach Hause, wenn der Krügerwirt ihn am Kragen packte und eigenhändig vor die Tür setzte. Niemand wusste genau, woran die Hoffmannin gestorben war, denn vor ihrem Ableben war sie noch kugelrund und kerngesund beim Backhaus gewesen. So sagte jedenfalls die Else. Karla hatte noch nie mit dem Hoffmann gesprochen, auch mit dem Dorfschulzen nicht und nicht mit dem Schuhmacher oder mit dessen Weib.
    Am Tisch der alten Männer, deren Hände mit Gichtknoten übersät waren, servierte die Magd Trudl eine neue Runde Starkbier. Karla konnte sogar von außen erkennen, dass die Luft dort drinnen zum Schneiden dick war. Der Kamin zog wohl nicht recht, sodass die halbe Gaststube in Rauch gehüllt war. Die holzgetäfelten Wände waren schwarz verfärbt, und Binsen bedeckten den mit Dielen belegten Boden. Hinten, direkt neben der Feuerstelle, erblickte Karla eine Tür, die mit Eisen beschlagen war. Die Jahreszahl 1468 war in das Eichenholz geschnitzt.
    Plötzlich erhob sich der Dorfschulze und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Sofort verstummten alle Gespräche. Karla konnte nicht hören, was er sagte, doch sie sah, dass ihm alle aufmerksam zuhörten. Hin und wieder nickte die Else kräftig oder stieß die dürre Bernadette mit dem Ellbogen in die Rippen. Als der Dorfschulze geendet hatte, erhob sich der Schuhmacher und schickte sich zum Gehen an. Karla zog die Kapuze ihres Umhanges tiefer ins Gesicht und machte, dass sie davonkam. Jetzt, da sich sicher viele der Gasthausbesucher auf den Heimweg machten, konnte Karla unmöglich die Dorfstraße hochgehen. Also wählte sie den schmalen Pfad am Schorbach entlang, schlich hinter den Gehöften der Bauern vorbei und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Nur wenige Schritte vor sich erblickte sie die stumme Magd Rieke, die vom Glenbauern gegen einen Baumstamm gedrückt wurde. Der Glen hatte der Magd beide Arme nach oben gerissen und presste ihre schmalen Gelenke gegen den rissigen Baumstamm. Mit der anderen Hand wühlte er unter ihren Röcken herum. Sein Atem ging keuchend, und im Mondlicht konnte Karla erkennen, dass auf seiner Oberlippe ein paar Schweißperlen standen. Das Gesicht der Magd dagegen war völlig ausdruckslos. Sie hatte den Kopf zur Seite gedreht, als wollte sie der Zunge des Glenbauern, seinem Atem, seinen Blicken entfliehen. Ihre Augen waren halb geschlossen, und sie hatte die Zähne in die Unterlippe gebissen. Ihre Haltung verriet Anspannung und Angst. Karla schnappte empört nach Luft. Sie wollte hinlaufen und den Glenbauern von der Stummen wegziehen, sie wollte ihm etwas über den Schädel hauen, wollte ihn anschreien, ohrfeigen, doch sie blieb wie angewurzelt stehen und schaute schweigend auf die Magd, die ihr mit den Augen zu verstehen gab, sich nicht zu erkennen zu geben. Karla holte tief Luft, griff das kleine Beil fester und wollte sich eben auf den Glenbauern stürzen, als der aufschrie: «Du blutest ja!»
    Die Stumme nickte leicht. Karla sah, wie ein feines Lächeln ihre Mundwinkel umspielte.
    «Bäh», zischte der Glenbauer. «Mit einem Weib zu verkehren, welches die Mondblutung hat, das ist, als verkehre man mit dem Teufel.» Angewidert spuckte er aus, wischte sich die Hand am feuchten Gras ab, funkelte die Stumme zornig an und verschwand.
    Karla kam näher. «Ist alles in Ordnung mit Euch? Hat er Euch weh getan?» Sie strich tröstend über die Schulter der Magd. Die aber kicherte lautlos, hob die Röcke und deutete auf eine mit Blut gefüllte Schweinsblase, die ihr zwischen den Beinen hing.
    Jetzt brach auch Karla in Gelächter aus. «Ihr seid klug, wahrhaftig.»
    Die Stumme lächelte wieder.
    «Doch sagt, wenn Ihr Euch schon mit einer Schweinsblase vor den Zudringlichkeiten des Glenbauern schützen müsst, dann heißt das, er zieht Euch öfter hinter die Scheune und geht Euch unter den Rock?»
    Sofort verschwand das Lächeln aus dem Gesicht der Stummen. Ihre Augen verdunkelten sich. Sie blickte Karla beinahe wütend an und durchschnitt mit der flachen Hand mehrmals die Luft. Nein, sollte das wohl heißen. Und: genug geredet.
    Sie richtete ihre Röcke, zog das Brusttuch gerade, dann ließ sie Karla allein an der alten Weide beim Schorbach zurück.

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    Dreizehntes Kapitel
    Am nächsten Morgen lag das Dorf unter einem Nebelschleier, der so dicht war, dass man nicht einmal das Haus der Nachbarn erkennen

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