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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Jungen auf Augenhöhe zu sein. «Höre mir einmal zu, mein Kleiner. Ist es Gottes Wille, Böses über andere zu sagen?»
    «Nein!» Der Kleine schüttelte entschieden den Kopf.
    «Hast du die Nachzehrer mit eigenen Augen gesehen?»
    «Nein.»
    «Dann hüte dich, Dinge zu behaupten, die du nicht selbst gesehen oder gehört hast.»
    «Aber die Mutter sagt es. Und der Vater spricht, dass ich hören soll auf das, was die Mutter sagt.»
    Der Kleine sah verwirrt aus. Pater Fürchtegott erhob sich und seufzte. Dann legte er dem Jungen seine Hand auf den Kopf. «Der Vater hat recht», erklärte er mit müder Stimme. «Schon in der Bibel steht, dass du Vater und Mutter ehren sollst. Also höre auf sie und sei ein braves Kind.»
    Karla sah, dass das Gesicht des Paters plötzlich grau vor Erschöpfung war. Fürchtegott strich sich mit dem Handrücken über die Augen und rieb sie dann, als würden sie brennen. «Was wollt Ihr tun?», fragte Karla.
    «Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung. Ich werde sogleich in meine Kammer gehen und nachdenken. Nachdenken und beten.»
     
    Erst am späten Nachmittag tauchte der Pater aus seiner Kammer auf und kam in die Küche, in der Karla Wachsreste zu neuen Kerzen goss. Von Else gab es weit und breit keine Spur. «Ich weiß jetzt, was ich tun werde», sagte er.
    «Und?»
    «Ich werde heute Abend eine Messe abhalten und in meiner Predigt bestimmte Dinge erklären.»
    «Hm», machte Karla. «Ihr habt Recht; es ist an der Zeit, über bestimmte Dinge zu reden. Was aber, wenn die Kirche leer bleibt? So leer wie immer. Zu wem wollt Ihr dann sprechen? Wie Euch Gehör verschaffen?»
    Plötzlich sah der Pater hilflos aus. So hilflos, dass Karla beinahe laut aufgelacht hätte.
    «Was kann ich denn sonst noch tun?», fragte er. «Mit dem Dippel habe ich gesprochen, aber keine Antwort erhalten. Er liegt im Bett, lässt Gott einen lieben Mann sein und mir scheint sogar, er will den gesamten Winter zwischen den Kissen verbringen.» Pater Fürchtegott kratzte sich am Bart. «Weißt du, was er zu mir gesagt hat, der Dippel? Er hat gesagt, er bliebe hier im Bett, bis alles vorüber wäre.
    ‹Was?›, habe ich ihn gefragt, aber der Dippel hat nur abgewunken. ‹Ich nehme ihnen die Beichte ab›, hat er gesagt. ‹Ich weiß alles über sie. Mehr, als ich jemals wissen wollte. Mein Maß ist voll. Kein Wort mehr will ich hören. Nicht ein einziges. Ich kann nicht mehr, versteht Ihr? Ich bin mit meiner Weisheit am Ende. Der Herr hat Euch geschickt, weil er weiß, dass ich die Last nicht länger allein tragen kann. Nun müsst
Ihr
tun, was getan werden muss.› Das hat er gesagt und kein Wort weiter, und ich bin in ihn gedrungen, aber er hat nichts mehr gesagt, nur geseufzt hat er, dass es einen tollen Hund gejammert hätte. Nun bin ich genauso schlau wie zuvor.»
    Karla fuchtelte mit der Hand durch die Luft. «Mit dem Dippel könnt Ihr nicht rechnen. Und in die Kirche könnt Ihr die Leute auch nicht zwingen. Also müsst Ihr dorthin, wo die Leute sind.»
    «Ich soll von Haus zu Haus gehen und mit jedem Einzelnen sprechen?» Pater Fürchtegott schüttelte den Kopf. «Ich bin doch kein Hausierer im Namen des Herrn.»
    «In die Schenke müsst Ihr.» Karla sprach diesen Satz aus, als wäre es das Einfachste der ganzen Welt. «Wenn der Prophet nicht zum Berge geht, muss der Berg zum Prophet gehen.»
    «Andersherum wird ein Schuh daraus: Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg gehen», dozierte Pater Fürchtegott.
    «Wie auch immer.» Karla blieb unbeeindruckt. «Fest steht jedenfalls, dass man sich nach den Dingen, die nun einmal sind, wie sie sind, richten muss. Und das heißt in diesem Falle, dass Ihr, Pater, heute Abend in die Schenke gehen müsst. Und ich werde mitkommen.»
     
    Später gingen Pater Fürchtegott und Karla durch das stille Dorf. Karla trug eine Fackel in der Hand, während der Pater fortwährend seinen Rosenkranz zwischen den Fingern drehte. «Ein Gasthaus ist kein Ort für einen Gottesmann», murmelte er vor sich hin. «Herr, schenke mir Kraft und Stärke.»
    «Herr im Himmel, Pater! Jetzt stellt Euch nicht so an. Ihr geht schließlich nicht ins Wirtshaus, um Euch zu besaufen. Ihr habt eine Aufgabe, und die könnt Ihr eben nur dort erfüllen!»
    Pater Fürchtegott nickte zu Karlas Worten, doch seiner Miene war abzulesen, dass er an beinahe jedem anderen Ort der Welt lieber wäre als in Krügers Schenke.
    Schon von weitem sahen sie das Licht aus der Schankstube auf die

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