Teufelspfad
Gedanken klar zu artikulieren. Wie sagte man der Frau, die man liebte, dass man mit einer anderen ein Kind hatte? Wichtiger noch, wenn man seine Frau wirklich liebte, wieso würde man dann etwas von dieser Wichtigkeit vor ihr geheim halten wollen?
Warum hatte er es ihr nicht gesagt?
Taylor war nicht sicher, ob sie schon wieder aufstehen konnte. Sie spürte, wie die Wut in ihrem Magen hochkochte. Wie lange wusste er es schon? Von Anfang an? Oder hatte er es auch erst kürzlich erfahren? Seitdem er für die Anhörung nach Quantico gefahren und im Zuge dessen suspendiert worden war, benahm er sich seltsam. Hatte er dort davon erfahren? Oder waren die vergangenen zwei Jahre ihres Lebens eine Lüge gewesen?
Und wer die Mutter seines geheimnisvollen Kindes?
Ihre Intuition sowie das ungefähre Alter des Kindes weckten in ihr eine Vermutung. Charlotte Douglas. Ja, sie musste es sein. Das rote Haar war der entscheidende Hinweis. Außer Baldwin hatte es mit einer ganzen Schar Rothaariger getrieben und seinen Samen großzügig über D. C. verteilt, was eher unwahrscheinlich war.
Mein Gott. Er hatte mit Charlotte ein Kind gezeugt und es ihr nicht erzählt. Angenommen, das hier war ein aktuelles Foto und das Kind war wirklich erst zwei Jahre alt, dann musste es passiert sein, kurz nachdem Taylor ihn kennengelernt hatte.
Wer war dieser Mann, den sie heiraten wollte? Sie wusste, er hatte seine Geheimnisse, so wie alle Menschen. Sie mochte es, dass er ein wenig geheimnisvoll war, liebte seine düsteren, unaussprechlichen Seiten. Das gab ihr die Erlaubnis, einen Teil von sich selber verborgen zu halten. Sie hatte ihm nicht alles von ihrem Leben erzählt. Es war besser so. Er hatte so viel eingestanden – dass er in einer sehr geheimen Gruppe der CIA gearbeitet hatte, dass er früh ausgebildet worden war und dreizehn Sprachen sprach. Dass er eigentlich Medizinethiker hatte werden wollen, aber stattdessen von Garrett Woods zum Profiling gerufen worden war. Sie wusste, dass er stark war, zärtlich und in sie verliebt. An all dem hatte sie nicht den geringsten Zweifel.
Aber sie wusste nicht, dass Baldwin ein Lügner war. Oder ein Betrüger.
Sie schluckte den Kloß in ihrer Kehle herunter. Die Gefühle, die sie empfand, überraschten sie. Im Moment hatte sie keine Zeit dafür, keine Energie, sich mit seiner Untreue zu beschäftigen. Sie musste Sam finden.
Sie stand auf und wunderte sich, dass ihre Beine sie trugen.
Sorgfältig klebte sie das Bild an seinen Platz zurück. Hierüber würden sie bald sprechen müssen, aber nicht jetzt. Jetzt hatte sie Wichtigeres zu erledigen.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass sie nur drei Minuten verloren hatte.
Sie fühlte sich leer, die Narbe des Wissens über ihrem Herzen brannte. Sie öffnete den Waffenschrank, entnahm die Waffen, die sie benötigte, steckte sie in ihre Tasche, schloss den Schrank ab und packte den Schlüssel wieder an seinen Platz. Währenddessen gingen ihr immer wieder zwei Wörter durch den Kopf. Finde Sam . Sie spürte, wie ihre Konzentration zurückkehrte.
Ihre Beschützer warteten geduldig an der Garage. Sie nickte ihnen zu, stieg in ihren 4Runner und fuhr los. Sobald sie das Ende der Straße erreicht hatte, klappte sie ihr Handy auf und rief Lincoln an. Er war immer noch mit Colleen Keck im CJC. Vorgeblich hielt er sie dort zwecks weiterer Befragungen fest, in Wahrheit sorgte er nur dafür, dass sie in Sicherheit war.
„Hast du was von Sam gehört?“, fragte sie.
„Nein, seit gestern nicht mehr. Sie hat den Autopsiebericht des Schechter-Jungen rübergeschickt. Hoher Blutalkohol, aber keine Zeichen von Drogen. Er ist ertrunken, wurde aber vorher sehr vorsichtig gewürgt. Es sind kaum Spuren zu sehen. Vielleicht sollte er nur ohnmächtig werden. In seinen Lungen befand sich Wasser, was bedeutet, dass er noch gelebt hat, als er in den See geworfen wurde. Warum fragst du?“
„Hör mir ganz genau zu. Du musst Colleen beschützen. Schick Marcus rüber zu Fitz. Ich bin auf dem Weg in die Rechtsmedizin. Sam geht nicht an ihr Telefon.“
„Du glaubst doch nicht …“
„Doch, das glaube ich. Ich denke, er hat sie. Er hat mir eine kryptische Nachricht geschickt, auf der ihre Wohnadresse stand.“
„Hast du heute Morgen schon die Nachrichten gesehen?“
„Nein, warum?“
„Colleens Blog ist der große Aufmacher. Zeitungen sowohl in Las Vegas als auch in Denver haben Briefe des Zodiac-Killers erhalten. An einem Tatort in New York ist ein Brief
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