Teufelspfad
und Mitgefühl verfasste.
Sie nutzte alle ihre sozialen Netzwerke, um ihre Meldungen zu verbreiten, und ihre Fans taten den Rest. Sie hatte es weit gebracht von der Polizeireporterin des The Tennessean , obwohl niemand online wusste, wer sie war. Diese Anonymität erlaubte es ihr, Quellen von verschiedenen Zuständigkeitsbereichen zu nutzen, ohne dass sich jemand beschwerte. Die Leute von den Strafverfolgungsbehörden, mit denen sie zusammenarbeitete, wussten, dass sie ihr vertrauen konnten und dass sie niemals ihre Quellen preisgab. Ihr Schweigen war Gold wert.
Zudem wurde sie von den Strafverfolgungsbehörden geliebt. Viele Abteilungen nutzten ihren Blog und ihre Ankündigungen, um Hintergrundinformationen über hoffnungslose oder dringende Fälle zu verbreiten. Und sie half ihnen dabei nur zu gerne und umsonst.
Um bei den Topnachrichten immer vorn dabei zu sein, hatte sie sich sorgfältig im ganzen Land Kontakte aufgebaut. Doch ihre Hauptgeschichten bekam sie von ihren Freunden in den Notrufzentralen. Ob Großstädte oder kleine Dorfnetzwerke – sie hatte mit Hunderten von Leuten Deals geschlossen. Diese Verbindungen sorgten für den nötigen Vorsprung vor ihren Wettbewerbern. Sie hatte live Video- und Audiofeeds, ihr Polizeifunkscanner lief online rund um die Uhr, auf ihrem Handy hatte sie eine App installiert, die den Funkverkehr bei Notfällen übertrug, und mit ihren Kontakten hatte sie eine Art Exklusivvertrag geschlossen. Sie wussten, was Informationen ihr wert waren. Sie nahm auch Hinweise von anderen Leuten an, sicherte diese aber immer über mindestens zwei Quellen ab, bevor sie sie verwendete.
Nachdem ein hochkarätiger Bankräuber sich auf ihrem Blog gemeldet und angekündigt hatte, sich zu stellen, hielt die Presse ein Auge auf Felon E. Beinahe jeder große Fernsehsender hatte sie eingeladen, in einer ihrer Sendungen darüber zu sprechen, wie sie es schaffte, bei den Verbrechen des Landes immer auf dem Laufenden zu sein, aber sie lehnte alle Interviewanfragen ab. Es ging ihr nicht um ihren Ruhm. Sie tat es, weil sie helfen wollte.
Wenigstens redete sie sich das ein.
Der Blog brachte ihr Unmengen an Geld ein. Die Werbung, die auf ihrer Seite geschaltet wurde und die sie mit Bedacht auswählte, erwirtschaftete genug, um ihr einen angenehmen Lebensstil zu finanzieren, ja mehr sogar, sie konnte es sich leisten, ihren fünf Jahre alten Sohn Flynn auf die teure Montessorischule am anderen Ende der Straße zu schicken. Das war ein Luxus, von dem sie nie gedacht hätte, ihn sich einmal leisten zu können. Doch obwohl sie ihre Rechnungen bezahlen konnte, blieb auch nicht so viel übrig, um einen verschwenderischen Lebensstil zu führen. Das war ihr allerdings egal. Zu Hause zu arbeiten bedeutete, keine zusätzlichen Kosten für schicke Anzüge, Benzin und Mittagessen zu haben. Keinen Ehemann zu haben – und kein Verlangen, sich mit Männern zu treffen – bedeutete, nicht in teure Kosmetik zu investieren und kein Aufheben um ihre Haare zu machen; die teuren Strähnchen, die sie sonst pünktlich alle sechs Wochen hatte machen lassen, waren herausgewachsen, und von dem Geld, das sie dadurch einsparte, bezahlte sie jetzt ihre Lebensmittel. Am Ende war alles fein ausbilanziert.
Sie bewegte ihre Maus und versuchte, nicht auf das Bild zu schauen, das ganz hinten auf ihrem Schreibtisch stand. Es gelang ihr nicht. Gerissen wie ein Gelegenheitsdieb glitt ihr Blick über das verblasste Foto in seinem zerbeulten Silberrahmen. Ein dunkelhaariger Mann, der ein kleines, hellblaues Bündel hielt und vor Vaterstolz nur so strahlte. Eine Woche später war er fort und sie allein mit einem Neugeborenen und der Organisation einer Beerdigung. Sie schluckte schwer und senkte den Blick, bevor sie wirklichen Kontakt herstellen konnte, bevor die Erinnerungen an ihn sie überwältigten.
Engel und Tod, fehlende Väter und gestresste Mütter. Die Vergangenheit prallte mit der Realität ihrer Gegenwart zusammen.
Sie hatte Flynn wieder und wieder erklärt, dass sein Vater bei den Engeln war. Doch wenn sie so jung sind, verstehen sie es nicht. Man kann nichts vermissen, was man nie gekannt hat. Und Flynn hatte den lächelnden jungen Mann, der sein Vater war, nie kennengelernt. Ihm war einzig und allein wichtig, dass Colleen ihm Beachtung schenkte, wenn er es wollte, und ihn in Ruhe ließ, wenn er „Zeit für sich“ brauchte. Sein neuer Unabhängigkeitsdrang machte ihr Sorgen; er verletzte ihre zerbrechlichen Gefühle, wenn er
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