Teufelsstern
Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Richard und er ein Verbrechen begingen. Sie reisten mit falschen Pässen. Wahrscheinlich hatte der Nexus alles genau durchdacht, aber plötzlich erschien ihm das Ganze als zu riskant.
Als sie an der Reihe waren, standen sie einem müde aussehenden Beamten gegenüber, in dessen Gesicht das Misstrauen tief eingegraben war. Vermutlich war das sein Job – misstrauisch zu sein. Matts Herzschlag beschleunigte sich, als Richard ihre Dokumente aushändigte. Er sah weg. Ein Teil der Halle wurde durch ein Gerüst aufrecht gehalten, und darunter stand ein großes Schild mit der Aufschrift: NO CRUZ AR. ÁREA DE PELIGRO. Richard war seinem Blick gefolgt.
»Kein Zutritt. Gefahrenzone«, übersetzte er.
Matt nickte und fragte sich, ob diese Worte speziell an ihn gerichtet waren, zur Warnung.
Der Grenzbeamte hatte beide Pässe durch eine Maschine laufen lassen und blickte andächtig auf seinen Bildschirm. »Was ist der Zweck Ihrer Reise?«, fragte er. Es hörte sich an, als hätte er diese Frage schon tausendmal gestellt.
»Wir machen Urlaub«, log Richard.
Der Stempel donnerte noch zweimal herunter. Das war’s. Sie durften weitergehen, und Matt ärgerte sich über sich selbst, darüber, dass er Angst gehabt hatte.
Es war abgemacht, dass Mr Fabian sie nicht selbst abholen würde, weil das Risiko bestand, dass ihn jemand erkannte und verfolgte. Er würde stattdessen einen Fahrer schicken. Und tatsächlich, nachdem sie ihr Gepäck abgeholt hatten, wartete schon ein kräftig gebauter Peruaner in einem kurzärmligen weißen Hemd auf sie. Er hielt ein Schild hoch, auf dem ihre falschen Namen standen: Paul und Robert Carter. Zwei Brüder im Urlaub. Mit Matt Freeman und Richard Cole, die hergeflogen waren, um die Welt zu retten, hatten sie nichts zu tun.
» Buenos días « , sagte er und nahm ihnen die Koffer ab. »Ich bin Alberto. Mr Fabian lässt Sie grüßen. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.«
»Er war lang«, sagte Richard nur.
Der Fahrer lachte. »Lang, das ist gut! Sie haben eine weite Reise hinter sich. Aber bis zu Mr Fabian ist es nicht mehr weit. Ich bringe Sie hin.«
Er führte sie aus dem Flughafen, wo sich sofort eine Horde Männer auf sie stürzte, Taxi! Taxi! schrie und versuchte, Alberto die Koffer zu entreißen. Matt war jetzt todmüde. In Peru war früher Abend, und Dunkelheit breitete sich über den Himmel. Die Luft war warm und roch nach Diesel. Er hoffte nur, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie endlich am Ziel waren.
Das Auto schien nagelneu zu sein, und als die Türen geschlossen waren und der Fahrer den Motor startete, blies die Klimaanlage angenehm kühle Luft in den Wagen. Matt ließ sich in den Ledersitz sinken.
»Peru«, murmelte Richard.
»Ja.« Matt wusste nicht, was er sonst sagen sollte.
»Irgendwie habe ich es mir peruanischer vorgestellt. Sollten hier nicht Lamas rumrennen?«
»Richard, wir sind auf einem Flughafen!«
Alberto legte den ersten Gang ein, und sie fuhren los.
Matt starrte aus dem Fenster. Nach einer endlosen Reise und all den Stunden im Flugzeug konnte er es kaum fassen, dass sie tatsächlich angekommen waren. Er war in Südamerika! Nicht nur in einem fremden Land, sondern auf einem anderen Kontinent!
In einer anderen Welt.
Sie fuhren an einer Art Marinestützpunkt vorbei – der Flughafen lag dicht am Meer – und dann auf eine Autobahn mit sechs Spuren. Sie war stark befahren. Bunt bemalte Busse, die höchstens zwanzig Passagieren Platz boten, aber doppelt so viele transportierten, rumpelten vorbei. Kleinbusse, die ebenfalls voller Menschen waren, kreuzten im Zickzack über alle Spuren und hupten wie wild.
Beiderseits der Autobahn war ein breiter Streifen Ödland voller Müll. Matt sah alte Reifen, Ölfässer und anderes Gerümpel, halb eingefallene Mauern, übersät mit Graffiti, und gelegentlich einen uralten Wachturm, an dem die rot-weiße Fahne von Peru hing. Für Matt machte es den Eindruck, als hätte hier ein Krieg stattgefunden – allerdings vor langer Zeit – und die Menschen wären noch bei den Aufräumarbeiten.
Irgendwann wuchs das Gewirr aus Staub, Graffiti, Verkehr und Beton zu etwas zusammen, was entfernt an eine Stadt erinnerte. Als sie näher an die Randbezirke von Lima herankamen, sah Matt eine Reihe moderner Bürogebäude, eine Tankstelle, deren Name – REPSOL – in Neonbuchstaben leuchtete, einige Läden, die noch geöffnet hatten und vor denen ein paar Leute herumlungerten. Alltägliche
Weitere Kostenlose Bücher