Teufelsstern
gut tot sein konnte. Bestimmt war der Tod auch nicht anders. Er war von Cuzco in dem Moment abgeschnitten worden, als sich die Mauer hinter ihm schloss. In der Luft lag eine gewisse Feuchtigkeit, die er auf der Haut spürte, doch davon abgesehen fühlte er nichts. Er musste seine Panik bekämpfen – und den Gedanken, dass man ihn lebendig begraben hatte.
Doch dann schaltete der Mann mit dem Poncho eine Taschenlampe ein, und der Lichtkegel beleuchtete einen schmalen Gang mit einer Treppe, die abwärts führte. Sie waren im Innern der Mauer. Auf beiden Seiten umgeben von riesigen Steinen. Wohin führten die Stufen? Matt hatte nicht die geringste Ahnung.
Im Schein der Taschenlampe konnte Matt auch das Gesicht des Mannes sehen, der sie gerettet hatte. Auf der Straße hatte er nur einen kurzen Blick darauf erhaschen können, und da hatten die Ohrenklappen seiner Mütze einen Teil verdeckt. Bei genauer Betrachtung stellte Matt fest, dass der Mann Micos zwar sehr ähnlich sah, aber keine Narbe hatte. Er war außerdem etwas dünner, hatte ein schmales Kinn und einen spärlichen Bartwuchs. Er konnte höchstens Anfang zwanzig sein.
»Wer sind Sie?«, fragte Matt ihn wieder. Er befürchtete, dass man seine Stimme draußen auf der Straße hören konnte. Aber das war sicher unmöglich. Die Mauer war mindestens einen Meter dick.
»Mein Name ist Atoc«, antwortete der Mann. Er hatte einen merkwürdigen Akzent. Er war spanisch, aber es schwang auch noch etwas anderes darin mit, eine Art Indiosprache.
Atoc war der Name, den Micos kurz vor seinem Tod genannt hatte. Er wollte ihnen eine Botschaft für diesen Mann mitgeben. Seinen Bruder? Matt hoffte es nicht, aber es würde erklären, warum die beiden sich so ähnlich sahen.
»Wo genau sind wir hier?«, fragte er.
»In einem sehr alten Geheimgang der Inka. Nur wenige kennen ihn.«
»Wo führt er hin?«
»Ich bringe euch an einen sicheren Ort, an dem Diego Salamanda euch nicht kriegen kann. Dort warten Freunde, aber es ist weit, und ihr seid immer noch in Gefahr, denn die Polizei ist überall. Wir können jetzt nicht reden.«
Atoc sah Pedro an und sprach kurz auf Spanisch mit ihm. Auch dabei hörte Matt den ungewohnten Akzent heraus. Wahrscheinlich übersetzte er, was er gerade zu Matt gesagt hatte. Pedro nickte.
»Hier entlang.« Atoc schwenkte die Taschenlampe in Richtung Stufen. »Wir gehen nach unten.«
Sie begannen mit dem Abstieg. Matt versuchte, die Stufen zu zählen, doch bei fünfundzwanzig gab er es auf. Die Wände standen sehr dicht und schienen ihn von beiden Seiten zu erdrücken, und er spürte auch das Gewicht der Erde, das von oben auf ihm lastete. Er hatte Druck auf den Ohren, und es wurde immer kälter. Sie konnten meist nur ein paar Stufen sehen, weil die Taschenlampe nicht stark genug war, um mehr zu beleuchten. Doch als sie die Stufen hinter sich hatten und in einen zweiten Gang einbogen, fiel ihm ein merkwürdiges gelbes Leuchten auf, das ihnen entgegenstrahlte. Sie gingen darauf zu, und schon bald schaltete Atoc die Taschenlampe aus. Der Gang vor ihnen war beleuchtet, aber nicht durch elektrisches Licht. Matt kam um die Kurve, und traute seinen Augen nicht. Der Gang schien unendlich lang zu sein, und in einem Abstand von zwanzig Metern hingen kleine Silberschalen an der Wand, in denen Flammen flackerten. Sie mussten an eine unsichtbare Ölversorgung angeschlossen sein. Doch es waren die Wände, die das Licht auffingen, es zurückwarfen und vervielfachten. Die Wände waren mit etwas bedeckt, was wie Messing aussah. Aber Matt wusste instinktiv, dass es in Wirklichkeit massives Gold war.
Wie viel Gold gab es auf der Welt? Matt hatte immer gedacht, dass es selten und deshalb so wertvoll war, und er erinnerte sich daran, was er vor dem Tempel von Coricancha gehört hatte. Die spanischen Eroberer waren besessen nach Gold gewesen. Sie hatten alles gestohlen. Zumindest hatten sie das gedacht. Aber jetzt erkannte Matt, dass sie nur einen Bruchteil vom Gold der Inka mitgenommen hatten. In diesem Geheimgang unter der Stadt waren unzählige Tonnen von diesem Edelmetall verbaut worden. Das Gold erstreckte sich in die Unendlichkeit, reflektierte das Licht der Lampen und machte die Nacht zum Tag.
Es wurde nicht erwartet, dass sie diese lange Strecke zu Fuß gingen. Ein weiterer Indio, ähnlich gekleidet wie Atoc, erwartete sie mit vier Maultieren. Matt fragte sich, wie die Tiere es ertragen konnten, so tief unter der Erde zu sein, aber er nahm an, dass sie daran
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