Teufelswasser
sie dann am Samstag darauf mit mir nach Bamberg gefahren, damit ich mir vor Ort ein klareres Bild vom ersten Mordfall machen konnte?»
«Um die Situation zu kontrollieren und dich vielleicht mit dem Hinweis auf andere Verdächtige zu täuschen.»
«Das ist nur bedingt zutreffend», warf Philipp ein. «Gabriela Schauberg hat die Frauen des Instituts eher verteidigt und mir erst bei der Gala im Kissinger Regentenbau Negatives über das Vorleben einiger Investoren mitgeteilt.»
«Das erfüllt auch seinen Zweck.»
«Was hat es dann aber mit dem gegen sie gerichteten Anschlag auf sich?»
«Womöglich hat sich deine Frau Schauberg die Szene nur zurechtgelegt, selber ausgedacht und mehrfach im Kopf durchgespielt, um sie glaubwürdig schildern zu können. Die Geschichte klingt mir nämlich zu abenteuerlich. Und es gibt keine Zeugen. Auch die Befragung der Gäste und des Personals der Gala-Veranstaltung hat uns bisher keine Anhaltspunkte für einen Anschlag geliefert. Gut, damit sind wir noch nicht ganz fertig, aber es schaut nicht so aus, als ob dabei etwas herauskäme.»
«Und die Messerspitze, die zwischen dem Türrahmen und der Tür stecken geblieben ist?», präzisierte Laubmann.
«Ein Messer dieser Art ist in jedem beliebigen Haushaltswarengeschäft erhältlich. Sie könnte es sogar bei der Gala entwendet haben. An der Klinge waren keine Fingerabdrücke, und der Griff ist nirgends gefunden worden.» Lürmann brach einen morschen Zweig von einem Baum am Wegrand ab.
Laubmann war nun schon etwas ins Grübeln geraten. «Welches Motiv könnte Frau Schauberg deiner Meinung nach für die Morde gehabt haben?»
«Die internen Streitigkeiten um die Zukunft des Säkularinstituts.»
«Dann passt der Tod des Mesners Reinhold Müller allerdings nicht so recht ins Bild.» Laubmann bezweifelte Lürmanns Hypothese. «Er hatte mit der Zukunft des Säkularinstituts nichts zu tun, zumal er nicht der Bruder der getöteten Margarete Müller war.»
«Woher wissen wir, dass die Schauberg das nicht bereits gewusst hat?» Ernst Lürmann stocherte nebenbei mit dem Zweig im Schilf herum und scheuchte ungewollt ein paar Stockenten auf, die schnatternd ins Wasser flohen. «Warum sollte es nicht eine böswillige Kungelei bezüglich des Schlossverkaufs zwischen den beiden Ermordeten gegeben haben? Übung darin hatten sie ja, wenn sie sich jahrzehntelang als Geschwister ausgegeben haben. Und die Schauberg hat von dieser Kungelei Wind bekommen. Außerdem hat sie Zugang zum Schloss, was bedeutet, sie hätte Margarete Müller auch dort töten können, wenn sie sie nicht im Park angetroffen hätte.»
«Aber der Schlag ins Gesicht des ersten Opfers? Überhaupt die Brutalität und Kaltblütigkeit bei den Morden – so etwas ist Gabriela Schauberg niemals zuzutrauen.»
«Ich halte es nicht für unmöglich, dass sie Unterstützung gehabt beziehungsweise jemanden angestiftet hat. Aus diesem Grund könnte der Anschlag auf sie tatsächlich stattgefunden haben, weil der wahre Mörder seine Mitwisserin beseitigen will.»
Philipp tat sich trotzdem schwer zu glauben, dass Gabriela Schauberg in die Verbrechen verwickelt war. «Wenn sie es nämlich nicht war und der Anschlag nicht erfunden ist, dann schwebt sie nach wie vor in größter Gefahr. Will heißen, wir sollten schon was unternehmen, um sie zu schützen.»
Kommissar Lürmann versprach, sich um Frau Schauberg zu kümmern. «Soweit ich informiert bin, hat unsere Oberkommissarin bereits einen Plan in die Wege geleitet, mit dem deine ‹Klientin› wohl zugleich überwacht und beschützt wird. Näheres werde ich heute Abend erfahren.»
Lürmann hatte bei der Verwendung des Possessivpronomens «unsere» an Glaser und sich gedacht, Laubmann dagegen an sich und Lürmann.
Die Luft war erfüllt mit dem solehaltigen Geruch, der die beiden Detektive vom nahen Gradierwerk her umwehte. Sie hatten aus der Ferne die Anlage mit ihren hoch aufragenden, überdachten Balkenkonstruktionen längst wahrgenommen.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein, erklärte Laubmann, sei im Kissinger Gradierwerk Salz gewonnen worden. Zu diesem Zweck habe man das salzhaltige Wasser, die Sole, nach oben gepumpt und über die dicht an dicht zwischen den Balken befestigten Birken- oder Schwarzdornreiser herabrieseln lassen. Bei diesem Vorgang sei eine Menge Wasser verdunstet, und die so verstärkte, also gradierte Sole sei unten in einer Wanne aufgefangen worden. Zudem habe die mit Mineralien angereicherte Luft eine heilende Wirkung bei
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