Teufelswasser
mit Kommissar Lürmann als Beifahrer. Zu ihrem Verdruss hatte der Kollege darauf bestanden, dass auch Philipp Laubmann, der erst in der Nacht wieder in Bad Kissingen eingetroffen war, mitfahren durfte. Juliane Vogt hatte sogar vor Fahrtantritt bei Dietmar Glaser in Bamberg angerufen, ob er eine solche Praxis gutheiße, doch selbst der hatte nichts dagegen einzuwenden. Sie für ihren Teil sah nicht ein, warum jener verhinderte katholische Pfarrer bevorzugt werden sollte. Das Verhalten ihrer männlichen Kollegen ließ sich manchmal nicht begreifen. Nach ihrem Dafürhalten war Dr. Laubmann keineswegs weniger verdächtig als am Anfang der Ermittlungen.
Schlimm genug also, dass der Moraltheologe hinten auf dem Rücksitz gesessen hatte, aber noch schlimmer war es gewesen, dass er seinen Mund nicht hatte halten können. Die gesamte Fahrt über hatte er historisiert, theologisiert, moralisiert oder philosophiert. Und Ernst Lürmann hatte ihn durch Zwischenfragen zusätzlich animiert.
«Meine Philosophie», hatte Juliane Vogt am Ende der Strecke gesagt, «geht dahin, erst einmal alles zu überdenken und nicht bloß zu reden.»
Philipp Laubmann hatte ihr entgegnet: «Der Schriftsteller Robert Walser vertritt die Ansicht, dass viele philosophische Systeme nur eine Rache für entgangene Genüsse sind.» Er war so richtig in Fahrt gewesen, freilich nicht wegen Vogts flinker Fahrweise, sondern aufgeputscht von seiner eigenen Dauerrede.
Kommissarin Vogt war, nachdem sie in der Bamberger Polizeidirektion angelangt waren, richtig glücklich, dass Laubmann nicht mit in den Vernehmungsraum durfte. Glaser schob ihn kurzerhand wieder in den abgedunkelten Raum hinter der Spiegelwand ab. Dort mochte er Selbstgespräche führen, wenn er wollte; denn sich von dort aus ins Verhör einzumischen, war ihm erneut strikt untersagt worden.
Doch Philipp war gar nicht so unglücklich darüber, jetzt schweigen zu dürfen, weil er fand, er habe sich während der Fahrt genügend verausgabt. Er hatte sich aus christlicher Opferbereitschaft heraus verpflichtet gefühlt, Vogt und Lürmann zu unterhalten und zu erheitern.
Anton Müller, der Antiquar, wurde des Doppelmords beschuldigt. Er war für Freitag, den 27. April, vorgeladen und im wenig ansprechenden Vernehmungsraum bereits über seine Rechte belehrt worden. Sein schmales, längliches Gesicht wirkte noch eingefallener. Müller trug wiederum ein abgetragenes Jackett und eine Cordhose. Seine Erkältung war abgeklungen. Er war mehr als nervös, was er zu verbergen versuchte.
Die geballte Staatsmacht – von links nach rechts: Vogt, Glaser und Lürmann – saß dem Beschuldigten an der anderen Längsseite des Tisches gegenüber. Lürmann bediente das Aufnahmegerät. Wegen Personalmangels wohnte heute kein zusätzlicher Beamter der Vernehmung bei.
Laubmann fiel, trotz der dicken Trennscheibe, die Ähnlichkeit Anton Müllers mit dem getöteten Reinhold Müller auf. Ihm war nicht wohl zumute, weil es einem Büchermenschen an den Kragen gehen sollte; denn in der Welt der Bücher wollte Laubmann Ruhe und Beständigkeit gewahrt sehen.
«In den Mordfällen Margarete Müller und Reinhold Müller», begann Hauptkommissar Dietmar Glaser ganz allgemein, «haben sich neue Aspekte ergeben.»
«Sie haben mich doch schon verhört», widersprach der Antiquar.
Kommissar Lürmann übernahm: «Wir müssen noch einmal nach Ihrer Beziehung zu Reinhold Müller fragen.»
«Ich hatte keine großartige Beziehung zu ihm. Das ist Ihnen und Herrn Kommissar Glaser bekannt. Aber ich kann Sie beruhigen, ich werde mich um seine Beerdigung kümmern. Die Beisetzung meiner Mutter wird ja wohl im Rahmen ihres Instituts vonstattengehen.»
Oberkommissarin Vogt klinkte sich ein: «So weit sind wir noch nicht. Die Leichen werden noch nicht freigegeben.»
‹Die Leichen sind bestimmt kühl gelagert›, dachte Laubmann, denn ihm war es in dem stickigen Nebenraum schon wieder zu warm geworden. Nun gut, er hätte nicht mit ihnen tauschen mögen.
Lürmann setzte die Vernehmung fort: «Welche Kenntnis haben Sie von Ihrem leiblichen Vater?»
«Das haben Sie mich auch schon mal gefragt. Gar keine!» Anton Müller reagierte gereizt.
Diesmal übernahm Glaser: «Wir sind bei unseren Ermittlungen auf die Identität Ihres Vaters gestoßen.»
«Na bravo! Wie ist Ihnen das denn gelungen? Ich hab außer dem Vornamen ‹Arno› niemals mehr über ihn erfahren.»
«Wir gehen davon aus, dass dieser ‹Arno› nicht existiert hat, also von
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