Teufelswasser
Paketsendungen entgegen.»
«Und in der genannten Woche?», fragte Laubmann nach.
«Er hatte die ganze Woche über wegen Krankheit geschlossen. Die Grippe vermutlich. Das stand auch auf einem Schild an seiner Ladentür. Er wird zu Hause gewesen sein.»
«Und am Donnerstag in der Woche nach Ostern», präzisierte Lürmann; «das war der 12. April?»
«Am Donnerstag …? Jetzt, wo Sie's sagen: Er war an einem der Nachmittage im Geschäft. Das könnte der Donnerstag gewesen sein.» Beatrice Oberanger schaute Lürmann aufmerksam an: «Waren Sie nicht mit einem anderen Herrn an einem dieser Tage bei ihm?»
«Deswegen frage ich ja», betonte Lürmann und erklärte Laubmann: «An dem Donnerstag war Anton Müller nämlich nicht zu Hause, sondern trotz seiner Erkrankung im Antiquariat anwesend.»
«Wusst' ich's doch, dass ich Sie schon einmal an meinem Schaufenster gesehen habe!»
Lürmann wurde verlegen.
Niemand bemerkte es freilich, weil im selben Moment die Dame mittleren Alters, nun wieder vollständig angezogen aus der Umkleidekabine kommend, Beatrice Oberanger einen lilafarbenen BH mit Blumenmustern als Spitzenbesatz hinhielt. «Haben Sie dieses Modell auch eine Nummer größer?»
Die Inhaberin warf nur einen kurzen Blick auf das Kleidungsstück. «Eine Nummer größer müsste ich noch auf Lager haben.» Sie nahm den BH an sich. «Ich bin sofort bei Ihnen, wenn ich die Herren bedient habe.»
Die Kundin widmete ihre Aufmerksamkeit aufs Neue der Suche nach den ideal zu ihrem Typ passenden Dessous.
Kommissar Lürmann drängte auf eine definitive Bestätigung. «Frau Oberanger, Sie bezeugen hiermit, dass außer am Donnerstag, dem 12. April, Herr Anton Müller nicht in seinem Antiquariat war, also an keinem der anderen Werktage in der Woche nach Ostern, auch nicht am Freitag, dem 13. April.»
«Das ist korrekt. Zumindest nicht während meiner Geschäftszeiten.»
Der Kommissar notierte alles in sein himmelblaues Notizbuch, bedankte sich für die Auskunft und kündigte an, dass die Aussage gegebenenfalls zu protokollieren sei.
«Jederzeit gern. Und falls Sie trotzdem eine Beratung wünschen, wenn Sie nicht mehr solo sind, meine ich …» Beatrice Oberanger sah Lürmann verlockend an.
«… dann werde ich darauf zurückkommen, danke.»
«Wo Sie doch so sinnliche Hände haben.»
Lürmann blickte verunsichert auf seine eher ungepflegten Finger. Auf seiner Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen.
«Einen Moment», sagte Beatrice Oberanger fürsorglich, «ich hol' Ihnen was zu trinken.» Sie ging zu ihrer Kassen- und Verpackungstheke und füllte ein Glas mit Wasser, das sie dem Kommissar brachte.
Ernst Lürmann nahm es dankbar entgegen, schaute aber, trotz Brille, mit zusammengekniffenen Augen zur Wasserflasche auf der Ladentheke. «Das ist doch Wasser aus der ‹Teufelsloch-Quelle›, hab ich recht? Ich erkenne das selbstfabrizierte Etikett.»
«Das Quellwasser soll der inneren Schönheit dienen und heilende Kräfte besitzen.» Beatrice Oberanger lächelte Lürmann weiterhin verlockend an. «Herr Müller nimmt dafür Bestellungen entgegen, und so eine große Hagere bringt es bei Bedarf vorbei.»
«Eine Frau Zähringsdorf etwa?»
«Genau.»
«Sieh an», kommentierte Philipp Laubmann scheinbar desinteressiert, denn er hatte indes an zwei Schaufensterpuppen BHs und Slips entdeckt, die erstaunlicherweise aus Korbmaterial, vielleicht gebogenen Weideruten, gefertigt waren.
Die Geschäftsinhaberin war seinem erstaunten Blick gefolgt. «Das ist nur Dekoration. Ich stamme nämlich aus einer Korbmacherfamilie. Wir stellen bereits in der vierten Generation Korbwaren her.»
«Das heißt, Sie hatten schon immer mit ‹Körbchengrößen› zu tun», witzelte der Theologe.
Beatrice Oberanger lachte auf. «So kann man das auch bezeichnen. Das werd' ich mir merken, das ist originell. Ich werde mit der Dekoration, wenn Sie gestatten, eine Werbeanzeige gestalten lassen, mit dem Untertitel: Wir führen alle Körbchengrößen .»
XXXIV
GLÖCKLEIN BOT ZWEIMAL IN DER WOCHE einen Bibelkurs für Kurgäste an, jeweils an zwei Abenden hintereinander und just in dem Kissinger Kurhotel, in welchem Gabriela Schauberg Quartier genommen hatte. Mittwochs und donnerstags. Danach blieb er stets zum Abendessen im Hotel, weil das für ihn kostenlos war, obwohl er später in der Wohnung des erkrankten Kollegen, in welcher er zurzeit logierte, nochmals etwas Leichtes zu sich nahm.
Die Stimmung im Bibelkurs war jedes Mal ausgesprochen
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