Teufelswasser
spätmittelalterlicher Texte an mich gewandt, in denen mystische Erlebnisse geschildert werden.»
«Und konnten Sie ihr dazu verhelfen?»
«Zur Textsammlung, ja.»
Diese Dreistigkeit. Müller sah anscheinend keine Gefahr für sich. Laubmann konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Dreigestirn der Kommissare hinsichtlich des Verdächtigen ungenügend recherchiert hatte, und dabei schloss er sich nicht aus. Das zuletzt genannte Alibi hätte zwischen Anton Müller und Agnes Zähringsdorf durchaus abgesprochen sein können. Vielleicht auch anderes.
«Arbeiten Sie mit Frau Zähringsdorf beim Vertrieb des Quellwassers aus dem Teufelsloch zusammen?», fragte Ernst Lürmann unvermittelt, als hätte er Laubmanns Gedanken geahnt.
Müller wirkte überrascht und antwortete jetzt ausweichend. «Das ist schon möglich.»
Dietmar Glaser fuhr ihn aufbrausend an: «Was heißt, das ist schon möglich? Ja oder nein?»
«Agnes will unbedingt, dass aus der Quelle eine Heilquelle wird.»
«Da ist sie nicht die Einzige, die das Wasser geschäftlich nutzen will.»
«Ja, aber sie deutet das mystisch. Finanzielle Interessen hat sie kaum.»
«Dafür Sie umso mehr!»
«Und wenn?»
«Dann bieten Sie uns ein wunderbares Motiv. Falls Ihre Mutter dafür gesorgt hätte, dass die Immobilie in fremde Hände kommt, wär's aus gewesen mit dem Wasser-Geschäft. Das galt es zu verhindern.»
Anton Müller schüttelte den Kopf und sagte lapidar: «Das war bisher kein Geschäft.»
«Bisher!», meinte Glaser. «Herr Müller, ich halte es für ausreichend begründet, Sie vorläufig festzunehmen. Eine richterliche Anordnung für die Untersuchungshaft werde ich erwirken.»
Laubmann war ein wenig benommen von der plötzlichen Entscheidung Glasers. Lürmann konnte sie hingegen gut nachvollziehen, und Juliane Vogt machte einen zufriedenen Eindruck, als der Antiquar, der nun recht entgeistert wirkte, von einem uniformierten Beamten abgeführt wurde.
Doch Philipp blieb bei seiner Ansicht, dass alles zu plausibel war. In jede erdenkliche Richtung schienen Verbindungen zu existieren; wie ein Geflecht. Sie agierten hier immer nur nach dem Prinzip Hoffnung, dass eine der befragten oder vernommenen Personen mal klein beigab. Sicher, solch eine Vorgehensweise war legitim, und doch fehlten ihm die in letzter Konsequenz schlüssigen Argumente.
Es war an der Zeit, noch einmal Bewegung in die Ermittlungen zu bringen, und zwar vermöge einer Suchaktion, überlegte Philipp. Dazu wollte er Lürmann am Nachmittag verleiten. Mochten Glaser und Vogt unterdessen ruhig nach Kissingen vorausfahren. Lürmann und er würden am späteren Nachmittag nachkommen. Ein zweites Dienstfahrzeug würde ja wohl verfügbar sein. Philipp Laubmann war überzeugt, dass jetzt einfach ein unabhängiger Detektiv seines Formats erforderlich war.
XXXVI
GLASER UND VOGT BEGABEN SICH NICHT SOFORT nach Bad Kissingen, sondern statteten dem Säkularinstitut im Bruderwald einen dienstlichen Besuch ab. Lürmann und Laubmann waren nicht dabei, denn die hatten zur selben Zeit nach ihrem Dafürhalten außerordentlich wichtige Vorbereitungen in der Polizeidirektion zu treffen, über die sie bloß vage etwas hatten verlauten lassen.
Die Oberkommissarin stand zum ersten Mal vor der gelblich gestrichenen Dreiflügelanlage mit dem Schlosspark dahinter, obwohl der aktuelle Kriminalfall doch von dort seinen Ausgang genommen hatte. Sie kannte freilich den Bericht des hiesigen Erkennungsdienstes. Aber auch Dietmar Glaser hatte erst am vorherigen Tag den Tatort im Alten Kurbad besichtigt. Darum hatte sich von Bamberger Seite aus schließlich Kollege Lürmann zu kümmern.
Sie hielten sich nur wenige Minuten im Park auf und benutzten danach den Hintereingang des Schlosses. Aus sicherer Entfernung hatte der Gärtner Heinrich Kornfeld ihre Betrachtung des Tatorts verfolgt. Er war immer gern informiert, wer sich in «seinem» Park herumtrieb, und wollte generell auf dem Laufenden sein.
Vogt und Glaser trafen Gertrud Steinhag, die auf den Besuch der Kriminalpolizei gar nicht vorbereitet war, in ihrem Büro an. Der Hauptkommissar stellte seine Kissinger Kollegin vor und wünschte Frau Zähringsdorf zu sprechen, sofern sie im Hause sei.
«Unsere Agnes wird in der Kapelle sein.» Die Leiterin erbot sich, den Herrn Kommissar und die Frau Kommissarin dorthin zu geleiten.
Agnes Zähringsdorf kniete tatsächlich betend in der Schlosskapelle. Sie blickte befremdet auf, als die Tür zur Kapelle geöffnet
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