Teufelswasser
seine Gummistiefel und in die Ärmel seines Plastikmantels lief.
Laubmann kniete sich einfach nieder, zog die Handschuhe aus und fasste in den Zulauf hinein, um den Schlamm, der sich dort angestaut hatte, mit blanken Händen herauszuholen und in seinen schwarzen Plastikeimer fallen zu lassen. Und mit einem Mal erhellte sich seine Miene trotz des dürftigen Lichts ganz erheblich, denn er spürte in der lehmigen Masse eine kleine weiße Plastikhülle auf, die ihn stante pede frohlocken ließ: « Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, und finden nur mit Mühe, was doch auf der Hand liegt . Buch der Weisheit.»
Auch Lürmann wirkte glücklich, als ihm Laubmann die verschmutzte Scheckkartenhülle des Bankhauses Lößner & Wegner präsentierte, und ließ sich zu einem Sprachwitz im Stil seines Partners verleiten: «Fürwahr, ich halte dein Bibelzitat für wahr .»
«Ich bin mir sicher», fügte Philipp Laubmann in einer prophetischen Anwandlung hinzu, «wenn einige Bankkonten, ein Paar Schuhe und die Alibis hinter den Alibis endgültig überprüft sein werden, dann werden wir die Mordfälle gelöst haben.»
XXXVII
ES WAR ABEND GEWORDEN. Gabriela Schauberg hatte in ihrem Kissinger Hotelzimmer ausgeharrt. Sie hatte sich mit Gebetstexten ablenken wollen, was ihr misslungen war. Daher fühlte sie sich ganz eigenartig erleichtert, als endlich die Zeit gekommen war und sie aus dem Zimmer, ja aus dem Hotel gehen konnte, hinaus auf die Straße. Es nieselte, aber sie benötigte keinen Schirm. Die Lampen vor dem Hotel, seine bestrahlte Fassade, die sauber geputzten, spiegelnden Türglasscheiben sowie die hohen Kandelaber rechts und links des Eingangs verbreiteten unter dem bedeckten Himmel nur einen trügerischen Glanz.
Gabriela Schauberg hatte erneut ihre taubenblaue Tracht angezogen, als stünde ein Treffen im Säkularinstitut an, und stieg in denselben beigefarbenen Kleinbus wie an den beiden Abenden davor. Das Taxi hatte auf sie gewartet. Der Fahrer hatte andere Gäste abgewiesen.
Sie ließ sich wiederum zum Gradierwerk bringen, und wiederum entfernte sich der Wagen, nachdem sie ausgestiegen war. Die Rücklichter des Taxis waren bald nicht mehr zu sehen. Sie war allein. Den Weg zum versperrten Zugang des beängstigend aufragenden technischen Denkmals kannte sie längst. Mit seinen Geräuschen war sie vertraut, dem permanenten Tropfen des Wassers, dem Knarren der Balken. Das Schild mit den Öffnungszeiten war fahl beleuchtet. Dahinter verlor sich das Licht der wenigen Scheinwerfer in der Nachtschwärze des Gebälks. Nur die in der Nähe fließende Saale, die mehr zu erahnen als wahrzunehmen war, wirkte beruhigend und versöhnlich.
Abermals wurde aus der Ferne beobachtet, wie die Frau mit dem Schleier, die Absperrung ignorierend, von der Dunkelheit der Gradieranlage umfangen wurde. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie es geschafft hatte, über die Holzstiegen im Inneren des Bauwerks nach oben ins zweite Stockwerk zu gelangen und an eine der Brüstungen zu treten. Dort hielt sie inne, blickte langsam und vorsichtig um sich. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen, denn sie vermied es, in den Strahl eines Scheinwerfers zu geraten.
Ohne vorher ein Geräusch zu verursachen, löste sich eine Gestalt aus der Dunkelheit und stürzte sich, als geschähe alles in einem einzigen Moment, von hinten auf die Frau am Geländer, ergriff sie und presste sie gegen das Holz, um sie hinab in die Tiefe zu stoßen.
Sie aber wehrte sich heftig und nicht ohne Geschicklichkeit. Sie stieß dem Angreifer mit dem linken Ellenbogen in die Seite und vermochte sich in derselben Sekunde, als er vor Schmerz zusammenzuckte, aus seinem Griff zu befreien und wegzulaufen. Nur ihren Schleier hatte er zu fassen bekommen und ihn der Flüchtenden vom Kopf gerissen.
Zeichen und Befehle für den «Zugriff» wurden gegeben. Beamte des Spezialeinsatzkommandos hatten sich dem Angreifer lautlos genähert und kamen jetzt, ausgerüstet mit kugelsicheren Westen, Helmen und mit Pistolen im Anschlag, aus drei verschiedenen Richtungen auf ihn zugerannt. Vom Dach des Gradierwerks seilten sich zwei Beamte mit erstaunlicher Schnelligkeit ab. Noch ehe der Täter, dessen Gesicht von einer heruntergezogenen schwarzen Wollmütze mit ausgeschnittenen Augenlöchern verborgen wurde, so richtig begriff, was um ihn herum geschah, und seinem Opfer nachsetzen konnte, war er von den Einsatzkräften umringt, die ihn unsanft ergriffen, die Arme auf den Rücken bogen, dass sein Oberkörper
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