Teufelswasser
Verhaftung ändern können. Walther war überdies, wie sein Kompagnon Peter Weisinger, in der Polizeidirektion erkennungsdienstlich behandelt worden.
«Was kann ich dafür, wenn ihr die wahren Schuldigen nicht findet?», hatte sich der Arzt beschwert.
Schließlich war Dr. Walther gezwungen worden, sich zusammen mit Peter Weisinger, der sogar Handschellen trug, in den abstoßend-kahlen Vernehmungsraum zu setzen und sich die formalen Belehrungen anzuhören, die von zwei jüngeren Kriminalbeamten vorgetragen wurden. Eine ganz neue Erfahrung für ihn. Sein Gesicht wirkte eingefallen, obwohl er sich nicht gehenlassen wollte. Das Toupet hatte er beim Erkennungsdienst ablegen müssen. An seinem grauen Haarkranz hatten sich Schweißperlen gebildet. Das Aufzeichnungsgerät war ganz in seiner Nähe platziert.
Weisinger dagegen gefiel sich in seiner trotzigen Haltung. Seine durch die Handschellen gefesselten Hände hielt er demonstrativ vor sich hin. Seine kurzen schwarzen Haare und sein stechender Blick verstärkten den widerständigen Eindruck. Dessen war er sich bewusst. Er würde Gegenwehr leisten, wenn auch nicht physisch. Anselm Walther beachtete er nicht, ja er tat beinahe so, als würde er ihn nicht kennen.
Die beiden jüngeren Kriminalbeamten rückten mit ihren Stühlen an die Seite, als die Kommissare Glaser und Lürmann sowie die Kommissarin Vogt und der Theologe Laubmann am späteren Nachmittag den Vernehmungsraum betraten. Vogt und Glaser hatten die nötigen Akten dabei und nahmen, den Beschuldigten gegenüber, am Tisch Platz; Lürmann und Laubmann flankierten sie.
Trotz des Protestes der Oberkommissarin durfte Philipp Laubmann dieses Mal mit in den Vernehmungsraum, was er genoss. Ernst Lürmann hatte nur sein himmelblaues Notizbuch bei sich, Laubmann lediglich sein abgeschaltetes Handy. Christine Fürbringer, die Sekretärin, hielt sich in ihrem Büro bereit, falls dringende Schreibarbeiten anfielen.
Auf der anderen Seite des Spiegelglases hatte sich Gabriela Schauberg eingefunden, und zwar in Begleitung der uniformierten Polizeiobermeisterin Cordula Hilder, ihres «Doubles». Von ihrem ehemaligen Kollegen aus journalistischen Zeiten hatte sie Unterlagen über Peter Weisinger erhalten und diese den Kommissaren schon vor fünf Tagen zur Verfügung gestellt. Gabriela hatte sich doch nicht getäuscht, als Weisinger ihr bei der Gala so bekannt vorgekommen war. Sie war sich nunmehr sicher, dass ihr Weisinger vor langer Zeit in einem Gerichtssaal aufgefallen war und somit in einer der jetzigen nicht unähnlichen Lage. Sie stand in einem ebenso eleganten wie unaufdringlichen hellgrauen Kostüm, das mit ihren ergrauten Haaren harmonierte, hinter der Glasscheibe und blickte aufmerksam in den Vernehmungsraum.
Der Antiquar Anton Müller war zwischenzeitlich aus der Untersuchungshaft entlassen und der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben worden. Da er vorwiegend am Wochenende inhaftiert gewesen war, war ihm kein geschäftlicher Verlust entstanden. Auch für Agnes Zähringsdorf war der Hausarrest beendet, obwohl sie vorläufig aus freien Stücken innerhalb des Instituts blieb, nämlich auf ihrem Zimmer oder in der Schlosskapelle.
Kriminalhauptkommissar Dietmar Glaser sah sich als Wortführer und bemühte sich um Korrektheit im juristischen Sinne. «Herr Dr. Anselm Walther, Facharzt für Allgemeinmedizin in Bamberg, und Herr Peter Weisinger, Immobilien- und Anlageberater daselbst, Sie werden zweier gemeinschaftlich geplanter Gewaltverbrechen beschuldigt, denen Frau Margarete Müller, Mitglied des Säkularinstituts ‹Christen in der Welt›, und Herr Reinhold Müller, Mesner in der Kirche Alt-Sankt-Anna zu Bamberg, zum Opfer gefallen sind, sowie zweier Mordanschläge auf Frau Gabriela Schauberg, ebenfalls Mitglied des genannten Säkularinstituts.»
Glaser wollte die Vorwürfe nachhallen lassen und für einige Sekunden schweigen, doch Weisinger protestierte sofort. «Wir haben keine Morde beziehungsweise Mordanschläge geplant oder begangen. Die Geschichte im Gradierwerk, deretwegen ich unschuldig und gegen meinen Willen festgehalten werde, war ein reines Missverständnis …»
Oberkommissarin Vogt ließ ihn nicht ausreden. «Das ist äußerst unglaubwürdig. Das wissen Sie so gut wie wir.»
Weisinger blieb stur bei seiner Behauptung: «Nichts wissen Sie! Ich wollte der Frau nur helfen. Ich hatte den Eindruck, sie will sich etwas antun. Ich musste sie davon abhalten, sich hinabzustürzen. Wir waren immerhin im zweiten
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