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Teufelswasser

Teufelswasser

Titel: Teufelswasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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zwei Gläsern hin- und herschwenkten. Nichts wurde verschüttet, während sich die nicht jedem bekömmliche Kohlensäure in der Luft verflüchtigte. Laubmann beobachtete den Vorgang aufmerksam – und fühlte sich gleichzeitig beobachtet.
    Sein Blick traf auf den Blick eines älteren Herrn in seiner Nähe, der noch etwas kleiner war als er und wesentlich schmaler. Der Mann hatte dünnes, ordentlich ausrasiertes bräunlich-schwarzes Haar, das leicht ergraut war, und einen Seitenscheitel. Seine Augen wirkten eingefallen, und sein einfacher schwärzlicher Anzug, mit einem hellen, bis obenhin zugeknöpften Hemd ohne Krawatte darunter, verlieh ihm etwas Priesterliches. Es schien Philipp, als hätten diese Augen den leeren enttäuschten Ausdruck eines alten Moraltheologen , wie er das mal bei Wolfgang Koeppen gelesen hatte, dort allerdings bezogen auf ein Pferd.
    Laubmann tat einen Schritt auf ihn zu. «Verzeihung, kennen wir uns?»
    «Ich überlege auch die ganze Zeit», antwortete der Angesprochene leise und unaufdringlich. «Wenn, dann aus Bamberg,» fügte er hinzu. «Reinhold Müller ist mein Name. Ich bin Mesner in Alt-Sankt-Anna.»
    «Daher!», sagte Laubmann freudig. «Ich hab Sie in der Kirche manchmal gesehen.»
    Der Blick des Mesners entspannte sich, als er seinerseits eine Frage an sein Gegenüber richtete: «Sie sind an der Universität beschäftigt, sofern ich mich nicht täusche?»
    «Dr. Philipp Laubmann, Lehrstuhl für Moraltheologie», und es klang, als hätte er gerne ergänzt: «stets zu Diensten.»
    Der Mesner und der Moraltheologe fanden es uneingestanden tröstlich, einen Gesprächspartner und Leidensgenossen aus heimatlichen Gefilden in der Menge entdeckt zu haben. Sogleich sonderten sie sich ein bisschen ab und schlenderten, hin und wieder an ihren Trinkgläsern nippend, auf einen der Ausgänge zu, die zu den Arkaden führten. Schnell war klar, dass beide erst vor wenigen Tagen ihre Kur angetreten hatten.
    «Ich hatte bis Ostern in der Kirche viel am Hals. Vorher konnte ich gar nicht weg», bemerkte der Mesner. «Jetzt hilft ein Kollege aus.»
    «Mein Chef, Professor Hanauer, hat mir auch nur bis zum Semesterbeginn Anfang Mai Urlaub gegeben, und das nur mit Widerwillen, weil ich mit meiner Habilitation dem Zeitplan hinterherhinke», räumte Laubmann ein. Dabei hatte er noch Glück, dass er sich für die alte Habilitationsordnung hatte entscheiden können, bei der ihm sein Professor als Mentor und somit als persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung stand.
    Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit war der Mesner Reinhold Müller beredsam, da ihm Philipp Laubmanns freundliche Art Vertrauen einflößte. «Sie sind aber nicht nur zu Forschungszwecken hier?»
    «Die Redewendung verwende ich meist, wenn ich eine Ausrede brauche.»
    «Ich hab Rheuma. Das hab ich mir in den kalten Kirchen geholt, in all den Jahrzehnten», beschwerte sich Reinhold Müller. «Trotzdem übe ich meinen Beruf nicht ungern aus; obzwar, in früheren Zeiten wollte ich mal Priester werden.»
    Laubmann mochte sich auf das Thema «Priester», dem er ohnehin in der Regel auswich, nicht einlassen. «Ich unterziehe mich einer privaten Kur; um abzunehmen.»
    Der Mesner schaute ihm ohne Vorwarnung auf den Bauch und wiegte den Kopf mit bedenklicher Miene hin und her, sagte dann jedoch: «Da haben Sie's gut; ich bin Kassenpatient. Ihr verdient an der Universität halt entsprechend.»
    «Meine Mutter hilft mir aus. So üppig ist das Assistentengehalt nicht.» Philipp erblickte in der Brunnenhalle einen stämmigen Patienten mit einem stattlichen Schmerbauch. Dermaßen arg war's bei ihm nun doch nicht.
    Üblicherweise trank man das Heilwasser am Morgen auf nüchternen Magen sowie vor dem Abendessen, wie sie es gerade taten. Je nach Wassertemperatur und Trinkgeschwindigkeit half es sowohl bei Diarrhöe als auch bei Obstipation, Durchfall und Verstopfung. Das gefiel Laubmann, diese Feinheiten der Differenzierung.
    Der Moraltheologe knöpfte vorsichtshalber seine mattgrüne Wolljacke zu, als sie hinaus in die Arkaden gingen, die den Kurgarten an zwei Seiten begrenzten. Trotz der Abendsonne befürchtete er, dass es draußen nicht warm genug sei. Die Jacke war schon etwas abgetragen, hatte übergroße Knöpfe vorne und Lederflicken an den Ellbogen.
    In den Arkaden waren sie fast unter sich. Ihre Trinkgläser hielten sie noch immer in den Händen, denn von dem Wasser hatten sie ihres Gesprächs wegen kaum getrunken. Und da sie beide zufälligerweise

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