Teufelswasser
in Laubmann, dem Theologen, freilich Höllenbilder wachrief.
Kurz vor 17 Uhr waren der Mesner und er von einem der Hauptgänge im Innern des verzweigten Kurbadkomplexes aus in Umkleidekabinen verschwunden. Gleich darauf kamen sie, nur mit weißen Badetüchern um den Bauch und weißen Badeschlappen an den Füßen, an der gegenüberliegenden Seite der Kabinen im sogenannten «Bedienergang» wieder zum Vorschein. Nur von diesem Gang aus, der parallel zum Hauptgang verlief, waren die einzelnen Räume zu erreichen, in denen sich die Wannen für die Moorbäder befanden. Fünf solcher Räume lagen nebeneinander, drei für die Bäder und zwei mit Liegen ausgestattete, auf welchen sich die Patienten mit Moorpackungen behandeln lassen konnten.
Barbara Brender – die Badegehilfin, die an diesem Spätnachmittag Dienst hatte – hatte schon auf die neuen Gäste gewartet und ihre Vorbereitungen getroffen. Sie war um die dreißig, hatte volles, welliges Haar von dunkelbrauner Farbe und wirkte ein wenig verhärmt, als hätte sie einige Enttäuschungen hinter sich. Ihre schmale Nase mit dem langen ebenmäßigen Nasenrücken verlieh ihr aber das Profil einer klassischen Schönheit. Ihren zarten Händen sah man nicht an, dass sie gut zupacken konnte, wenn es galt, einen Patienten abzustützen. Sie trug einen weißen Kittel.
Und sie reagierte prompt verärgert, denn die beiden Herren, die sie nur böse anblickte und gar nicht zu Wort kommen ließ, hatten ihre halbvollen Trinkgläser in die Moorbad-Abteilung eingeschmuggelt, was gar nicht gern gesehen wurde. Sie schauten die Badegehilfin bloß verdattert an, hatten sie doch geglaubt, dass ein gelegentlicher Schluck beim Baden nicht stören würde. Barbara Brender musste jedoch nach Feierabend die Gläser jedes Mal in die Brunnenhalle zurücktragen.
Zudem huschte eine andere Angestellte durch den Bedienergang, was die Badegehilfin ebenfalls in Rage versetzte. «Immer wird der Gang als Abkürzung verwendet!»; dabei hatte außer ihr und den Patienten hier niemand etwas zu suchen.
Sie half erst Philipp Laubmann in die Wanne, was ihm natürlich unangenehm war, musste er doch das Badetuch ablegen. Er war freilich nicht der erste korpulentere Mann, den sie nackt zu sehen bekam. Und es war ihm auch nicht angenehm, als das schwabbelige Moorwasser seinen Körper zu umschließen begann. Das konnte er nicht einmal mit «Humor» betrachten, weil dieser Begriff im Lateinischen «Feuchtigkeit» oder «Flüssigkeit» bedeutete. Als Philipp aber die entspannende Wärme spürte, fühlte er sich mit einem Mal sehr wohl, was er so nicht erwartet hatte.
«Das Moorwasser hat eine Temperatur von 40 Grad, was trotzdem nicht zu heiß ist, denn die Wärme überträgt sich aufgrund des Moorzusatzes nur sehr langsam auf den Körper, hält hinterher allerdings lange an», erklärte die Badegehilfin. «Sie werden etwa zwanzig Minuten im Wasser bleiben.» Nachdem sie ihn noch auf das Notrufseil aufmerksam gemacht hatte, ließ Barbara Brender den Patienten allein, um Reinhold Müller in der Nachbarkabine zu helfen.
Die Kabine Laubmanns war wie die übrigen Kabinen rundum gefliest und hygienisch rein. Alles war wiederum weiß; die Fliesen, ein vierfüßiger Schemel, auf dem Laubmann sein Trinkglas abgestellt hatte, ein Stapel Handtücher, der sich auf einer Ablage befand. Die Gäste wurden nach dem Bad mit Hilfe eines Wasserschlauchs vom Moore befreit. Die mittlerweile geschlossene Tür zum Bedienergang war aus einem für Blicke undurchdringlichen Milchglas gefertigt. Das Moorwasser selbst wurde im Keller des Alten Kurbads aufbereitet und bei Bedarf zu den Wannen hochgepumpt.
Dr. Laubmann konnte, obwohl er ganz auf sich konzentriert war, hören, dass die Badegehilfin Brender nebenan – und noch immer gereizt – mit Reinhold Müller sprach. An der Trennmauer war oben nämlich auf ganzer Länge ein Luftdurchlass ausgespart worden. Auch der Mesner hatte sein Trinkglas auf einen Schemel gestellt, doch unglücklicherweise stieß Barbara Brender dagegen. Es fiel zu Boden und zersplitterte. Sie erschrak und schimpfte daraufhin heftig mit dem Patienten Müller, der sich eingeschüchtert entschuldigte.
Nun hatte sie die Scherben zu beseitigen, damit sich niemand verletzte. Wütend wie sie war, agierte sie ein wenig zu ungestüm, denn plötzlich war ein Aufschrei zu vernehmen, weil sie sich geschnitten hatte.
Doch Laubmann berührte das nicht mehr so richtig. Die Wärme begann schon zu wirken, und er fing zu
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