Teufelswasser
Wasserschlosses im Bruderwald sowie ein gewagtes Hotelprojekt in Bad Kissingen – permanent umtrieben.
Der Prälat war ihm vor kurzem in der Kissinger Stadtverwaltung begegnet, beide unterwegs zu städtischen Ämtern. Engel hatte den Kurseelsorger erkannt, weil Glöckleins Konterfei nach seiner Amtseinführung in der hiesigen Presse abgedruckt worden war. Der Bauunternehmer hatte den Herrn Prälaten gleich in eine freundschaftliche Plauderei verwickelt und ihn ein bisschen über Bamberg ausgefragt, ja er hatte angeboten, beim Ausbau der katholischen und der evangelischen Kurseelsorge finanziell behilflich zu sein. Glöcklein war allerdings nur an einer Unterstützung der katholischen Seite interessiert. Ökumene hielt er für religiöse Romantik.
Friedolin Engel galt als ehrgeizig, zupackend und bestimmend. Er war 56 und von kräftiger Statur. Seine dunkelgrauen, stark zurückgeschnittenen Haare passten zu seinem maßgeschneiderten Anzug und dem Oberhemd mit den vornehmen Manschettenknöpfen. Auch hier im Séparée hatte Engel, wie so oft, eine exquisite Zigarre im Mund, die er allerdings des Rauchverbots wegen nicht anzündete und die er beim Sprechen nicht immer wegnahm.
Die neben ihm sitzende, modisch gekleidete Dame, Dr. Ida Gutwein-Brenner, war Albert Glöcklein nicht bekannt; und er ahnte nicht, dass die Apothekerin aus Düsseldorf sich in unmittelbarer Nähe aufgehalten hatte, als Reinhold Müller – immerhin ein Angestellter in Glöckleins Diözese – getötet worden war. Sie hatte ihre pechschwarz gefärbten schulterlangen Haare heute nicht zu einem Zopf geflochten. Ihre Accessoires – Brille, Handtasche, Armbanduhr und das Diamantcollier – zeugten von einem «sündhaften» Reichtum, wie Laubmann es bezeichnen würde.
Die anderen Herren, die zur Runde gehörten, waren Glöcklein ebenso unbekannt. Der Badearzt Dr. Rüdiger Pabst, der Laubmann untersucht hatte, war fein, wenn auch sportlich gekleidet. Seine Glatze glänzte wie poliert in der Wärme des Saals. Eine goldene Nadel in der Form eines Golfschlägers, an den unten ein Diamant als verkleinerte Golfballattrappe angefügt war, zierte seine Krawatte.
Dieses teure kitschige Schmuckstück hatte er bei Jacques Grünfeld erworben, einem Kissinger Juwelier, der den Sessel an seiner linken Seite in Beschlag genommen hatte. Der schlanke Grünfeld gab sich wie 35, wirkte wie 40, war aber schon über 45. Seinem beruflichen Standesdünkel entsprechend prunkte an seinem rechten Handgelenk eine im Grunde unbezahlbare Uhr, und seine extravagante Brille war mit Brillanten besetzt.
Der Dreiergruppe gegenüber und links von Engel saß dessen « rechte Hand», Gunther Schilf – der Mann mit der dünnen Narbe an der Schläfe, dem blassen Aussehen und der leisen Stimme. Dezent befolgte er die Anweisungen seines Arbeitgebers.
Thema des Gesprächs waren natürlich die Bauprojekte Friedolin Engels. Er wollte möglichst nachhaltig auf seine Gäste einreden, um sie zu Investitionen anzuregen. Das Hotel in Bad Kissingen werde die beste Hanglage haben. Außerdem sei das ehemalige Wasserschloss, das er dem Säkularinstitut abkaufen werde, ein ungehobener Schatz.
Als anschließend die Worte «Bamberg» und «Christen in der Welt» fielen, war Glöcklein ganz Ohr. Er vernahm, wie Dr. Pabst kritisch einwarf, dass in Bamberg sein Kollege Dr. Walther, der Hausarzt des Säkularinstituts, ebenfalls ein Projekt für jenes Schloss plane.
Friedolin Engel blieb souverän. «Das Vorhaben Ihres Bamberger Kollegen in allen Ehren; aber sein Plan – respektive der Plan seines Kompagnons Weisinger –, im sogenannten ‹Bruderwald› ein Kurhotel aufzuziehen, steht bei weitem nicht auf solch soliden Füßen wie unser Projekt. Wissen Sie: Bamberg ist keine Kurstadt – was soll dort ein Kurhotel? Unser Hotel im Bruderwald dagegen würde eine Seniorenresidenz werden. Falls Sie also bei meinen Konkurrenten in Bamberg investieren wollen, kann ich nur abraten. Bei mir schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe!» – Glöcklein fasste sich beklommen an seine Fliege. – «Ich kann Sie nämlich an beiden Projekten beteiligen, in Bamberg und in Bad Kissingen. Natürlich zu einem höheren Betrag. Höherer Einsatz – höhere Rendite.»
Engel sprach kein Wort zu viel. Doch was er sagte, war mit Verve vorgetragen. «Herr Schilf hält guten Kontakt zu diesem Säkularinstitut in Bamberg. Er hat sich entsprechend kundig gemacht, und ich kann Ihnen versichern, dass unsere Chancen ausgezeichnet
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