Teufelswasser
bezogene Fachbegriffe an, um endlich über eine Treppe mit blutrotem Teppich hinauf in die « SpielHölle » zu steigen. ‹Streng theologisch müsste sie eigentlich im Keller sein›, dachte er.
Drinnen drang indirektes Licht aus zahlreichen goldverzierten Messingleuchtern, hin- und hergeworfen von allerlei Spiegeln und geschliffenen Gläsern. Edle Hölzer hatten als Wandvertäfelung Verwendung gefunden; die Schritte wurden von weinroten Teppichen gedämpft. Glöcklein wurde umfangen vom Murmeln der Gespräche, den Klängen stimmungsvoller Weisen aus Lautsprechern sowie den Geräuschen rollender Kugeln. ‹Eine hübsche Hölle ; und die Klimaanlage sorgt für eine angenehme Temperatur.›
Im Zentrum des Saals standen mehrere Roulette-Tische, jeweils umrahmt von Spielern, zwei Croupiers und dem «Chef de Partie», der laut Glöckleins Prospekt die Oberaufsicht über den Spieltisch führte. Auch Black Jack oder Poker waren in anderen Bereichen möglich.
An zwei der Saalseiten befand sich eine um eine Stufe erhöhte Tribüne, die, um eine Ecke laufend, durch Geländer abgesichert war. Hinter den Geländern waren Cocktailtische und Stühle platziert, an denen die Spielerinnen und Spieler, vielfach in Abendkleid und Smoking, eine Pause einlegen und Getränke zu sich nehmen konnten, sofern sie nicht die große einladende Bartheke an der gegenüberliegenden Seite des Saals nutzten. Die Frauenquote war formidabel, fand der Prälat und hoffte, einer solchen niemals innerhalb der katholischen Kirche ausgesetzt zu sein. Durch einen rückwärtigen Ausgang konnte man in ein «First-Class-Restaurant» hinüberwechseln, das freilich auch von außen zugänglich war.
Laut der Anweisung des Prospekts sollte man sich, falls man zu spielen wünschte, an der panzerglasgeschützten Saalkasse zunächst Jetons kaufen, was Glöcklein tat. Er tauschte für 250 Euro Spielmarken ein, selbstverständlich finanziert aus seiner Privatschatulle und keineswegs aus dem Klingelbeutel.
An einem der Spieltische, an dem sich nur wenige Personen sitzend oder stehend aufhielten, betrachtete er eine Weile völlig ungestört das Geschehen. Auf dem Tisch, der mit einem grünen Tuch bespannt war, erkannte er das «Tableau», den Spielplan, und die drehbare Scheibe. Darin waren die Fächer für die Roulettekugel eingelassen, die bei jedem Spiel vor einer der 37 Ziffern zu liegen kam. Ein grünes Fach galt der Null, die anderen waren rot oder schwarz.
Albert Glöcklein wurde klar, dass man auf die verschiedensten Chancen setzen konnte: auf eine bestimmte Zahl, wobei die Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn freilich am geringsten war, auf bestimmte Zahlenanordnungen oder auf eine der Farben. Glöcklein entschied sich erst einmal und wie üblich für die Farbe Schwarz – und strich einen kleinen Gewinn ein. Dadurch beflügelt, schwang er sich zu größeren Einsätzen auf, ja entschied sich für die Farbe Rot – und verlor. Daraufhin nahm er sich vor, einen reduzierten Grundbetrag zu halten, den er am Ende wieder einlösen wollte.
Nachdem er auf diese redliche Weise binnen einer halben Stunde bescheidene zehn Euro zu jenem Grundbetrag dazugewonnen hatte, machte er Schluss, begab sich an die Bar und genehmigte sich einen alkoholfreien Longdrink; denn auch diese Atmosphäre glaubte er kennenlernen zu müssen. Niemand nahm Anstoß daran, dass er ein Priester war, nicht einmal der Saalchef oder der Hausdetektiv.
***
Schon nach kurzer Zeit wurde Prälat Glöckleins Aufmerksamkeit auf eine Art Séparée neben der Bar gelenkt, das von einem Vorhang halb verdeckt war. Die Personen, die sich dort eingefunden hatten, wollten anscheinend von den Vorgängen im Roulette-Saal nicht völlig abgetrennt sein und hatten eine Blickschneise offengelassen.
Glöcklein rückte mit seinem Barhocker weiter nach rechts, um wie zufällig einen genaueren Einblick zu bekommen sowie einzelne Sätze zu erhaschen. Mehrere Herren und eine Dame saßen in bequemen Sesseln beisammen, ja tranken hin und wieder aus Champagnergläsern. Auf einem niedrigen, runden Tisch in der Mitte, dessen Einlegearbeiten an eine Roulette-Scheibe erinnerten, stand die Champagnerflasche, eisgekühlt und zum Nachschenken bereit.
Einen der Herren kannte Glöcklein flüchtig: Im würdigsten Sessel gab sich der Frankfurter Bauunternehmer Friedolin Engel innerhalb dieser Gesprächsrunde als «Chef de Partie». Man merkte es ihm an, dass ihn zwei enorme Spekulationsvorhaben – der Kauf des Bamberger
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