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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Bedächtig setzte er einen Fuß vor den anderen und ließ sich dann auf die Knie sinken. Während er sich auf dem weichen Farn umdrehte,
hörte er oben auf dem Hügel eine Wagentür knallen und einen Motor aufheulen. Lee Tourneau wendete und fuhr davon. Ig blieb liegen und ruhte sich unter den Bäumen am Ufer aus.
    Seine Haut war nicht mehr so blass und weiß wie ein Fischbauch, sondern glänzte tiefrot wie lasiertes Hartholz. Noch nie war ihm das Atmen so leicht gefallen. Seine Brust hob und senkte sich mühelos. Vor zwanzig Minuten hatte er eine seiner Rippen brechen hören, doch jetzt verspürte er keine Schmerzen mehr. Erst viel später sollten ihm die Verfärbungen der alten Blutergüsse an seiner Seite auffallen - sonst wies nichts darauf hin, was er hatte durchmachen müssen. Er öffnete und schloss den Mund, wackelte mit dem Unterkiefer, aber nichts tat ihm weh, und als er mit der Zunge nach den fehlenden Zähnen suchte, fand er sie dort, wo sie hingehörten. Er spannte seine Finger an. Alles in Ordnung. Er betrachtete die Knöchel auf dem Handrücken - sie waren unverletzt. Auch wenn er sich dessen nicht bewusst gewesen war, hatte er keine Schmerzen empfunden, als er in Flammen stand. Und nicht nur das - das Feuer hatte seine Verletzungen sogar geheilt. Die warme Nachtluft roch nach Benzin, geschmolzenem Plastik und versengtem Eisen, ein Duft, der Ig ganz so wie Merrins Duft nach Zitrone und Minze und Mädchenschweiß erregte. Ig Perrish schloss die Augen und atmete tief und zufrieden durch, und als er sie wieder öffnete, dämmerte ein neuer Tag.
    Seine Haut spannte sich straff über den Muskeln und Knochen und fühlte sich so sauber an, so rein, wie nie zuvor. Das Ufer war dicht mit Eichen bestanden, und ihre breiten Blätter zitterten vor dem Himmel, der so blau war, dass er sie mit einem goldgrünen Glanz umgab.
     
    Merrin hatte das Baumhaus zwischen Blättern entdeckt, die ganz genau so gefunkelt hatten. Sie und Ig hatten ihre Räder damals auf einem Pfad durch den Wald geschoben. Sie kehrten aus der Stadt zurück, wo sie zusammen mit anderen Freiwilligen die Kirche neu gestrichen hatten, und ihre weiten T-Shirts und abgeschnittenen Jeans waren mit weißer Farbe bespritzt. Diesen Pfad waren sie schon oft entlanggekommen, aber das Baumhaus war ihnen noch nie aufgefallen.
    Es war auch leicht zu übersehen. Ungefähr fünf Meter vom Boden entfernt war es in der breiten, ausladenden Krone eines Baumes errichtet worden, den Ig nicht bestimmen konnte, und verbarg sich hinter zehntausend schlanken dunkelgrünen Blättern. Als Merrin nach oben deutete, glaubte Ig nicht, dass da überhaupt irgendetwas war. Und zuerst sah er auch nichts. Und dann doch. Das Sonnenlicht fiel durch das Blätterdach und funkelte auf weißen Brettern. Als sie näher kamen und unter den Baum traten, konnten sie das Haus besser erkennen. Es war ein weißer Kasten mit großen rechteckigen Fenstern, in denen billige Nylonvorhänge hingen. Es sah so aus, als wäre da jemand am Werk gewesen, der wusste, was er tat, kein Sonntagszimmermann. Das Haus hatte ganz und gar nichts Protziges. Es führte keine Leiter hinauf, aber das war auch nicht nötig. Niedrig hängende Äste bildeten eine Folge natürlicher Sprossen, die unter einer geschlossenen Falltür endeten. Auf der Unterseite prangte in weißer Farbe ein vermutlich ironisch gemeinter Satz: DIE IHR HIER EINTRETET, SEID GESEGNET.
    Ig hatte den Blick abgewandt - er rümpfte die Nase über das, was auf der Falltür stand -, aber Merrin zögerte keinen Augenblick. Sie legte ihr Rad in das tiefe, weiche Gras am Fuß des Baumes und machte sich sofort an den Aufstieg.
Mit athletischer Selbstsicherheit sprang sie von Ast zu Ast. Ig blieb unten stehen und schaute ihr dabei zu, und während sie sich immer weiter hinaufschwang, bewunderte er ihre nackten braunen Oberschenkel; Merrin hatte den ganzen Frühling hindurch häufig Fußball gespielt, und ihre Beine waren glatt und geschmeidig. Als sie die Falltür erreichte, wandte sie sich um und schaute zu ihm hinunter. Es fiel ihm schwer, den Blick von ihren Shorts abzuwenden, und als er es tat, grinste sie ihn wissend an. Sie sagte nichts, sondern klappte die Falltür auf und schlängelte sich durch die Öffnung.
    Bis er den Kopf in das Baumhaus steckte, war sie schon dabei, sich auszuziehen. Auf dem Boden lag ein kleiner quadratischer Teppich. Auf einem Beistelltischchen, umgeben von kleinen Porzellanfiguren, stand ein kupferner Chanukkaleuchter, in

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